Milliarden aus England und China: Droht dem Transfermarkt die Revolution?

von Tristan Bernert
4 min.
Chinesische Vereine lockten auch Spitzenspieler ins Reich der Mitte @Maxppp

Die in den Topligen Europas abgelaufene Wintertransferperiode hielt einige spektakuläre Wechsel bereit. Dabei sorgten nicht die Geschäfte zwischen europäischen Spitzenvereinen für Aufruhr, sondern das finanzstarke Auftreten der chinesischen Erstligisten. Dem Transfermarkt drohen tiefgreifende Veränderungen.

Schon im November hatte der FC Chelsea Alex Teixeira als Königstransfer für den Winter ausgemacht. „Ich habe ein Angebot. Ich habe mich sehr gefreut, zu wissen, dass Chelsea mich unter Vertrag nehmen will. Es wäre großartig, wenn der Transfer im Januar zustande kommen würde“, ließ sich der Brasilianer von Shakhtar Donezk zu einem heißen Flirt hinreißen. Alles schien darauf hinzudeuten, dass Teixeira schon bald für die ‚Blues‘ auflaufen würde. Doch aus dem Transfer wurde nichts.

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An dem FC Liverpool lag dies nicht, dabei hatte auch der Klub von Trainer Jürgen Klopp alles probiert, um den 26-Jährigen an die Anfield Road zu locken. In Liverpool hätte der torgefährliche Spielmacher zusammen mit Roberto Firmino und Philipe Coutinho eins der technisch besten Dreiecke des europäischen Vereinsfußballs bilden können. Doch auch das überzeugte Teixeira nicht.

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Denn ein Verein hatte bessere Argumente: Jiangsu Suning. Der chinesische Erstligist kann zwar nicht mit sportlicher Attraktivität oder Tradition aufwarten, doch finanziell gesehen ist der Klub der Konkurrenz aus England mindestens ebenbürtig. 50 Millionen Euro zahlte Jiangsu für Teixeira. Zudem bezieht der Brasilianer fortan ein fürstliches Gehalt. „Jeder wusste, dass ich in Europa bleiben wollte und zu einem Premier-League-Klub wechseln wollte. (...) Ich würde nicht sagen, dass es ein leichter Entschluss war, aber ich musste mich schnell entscheiden“, erklärt Teixeira auf der Shakhtar-Website.

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Die chinesische Transfer-Offensive

Der Teixeira-Transfer ist kein Einzelfall. Jackson Martínez wechselte von Atlético Madrid für 42 Millionen Euro zu Guangzhou Evergrande. Auch Ramires vom FC Chelsea und Gervinho von der AS Rom gehören zu einer großen Riege an Profis, die dem europäischen Spitzenfußball für das Reich der Mitte den Rücken kehrten. Dazu kommen die Transfers, die nicht zustande kamen. Shanghai Shenhua soll 91 Millionen Euro für Hulk von Zenit St. Petersburg geboten haben. Beim FC Chelsea ging offenbar eine Offerte über 98 Millionen Euro für Oscar ein.

Bis zum 26. Februar muss sich Fußball-Europa noch gegen die Offensive der Chinesen zur Wehr setzen, denn dann schließt das Wintertransferfenster. Im Sommer droht dem Weltfußball jedoch eine wahre Ablöse-Inflation. Denn zu den chinesischen Millionen kommen noch frische Geldmittel aus England hinzu. Die Vereine von der Insel griffen aufgrund des kommenden gewaltigen TV-Deals zuletzt schon tief in die Taschen. Im Sommer tritt dieser dann in Kraft. Die ohnehin finanzstarken Vereine werden somit noch potenter.

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Wenger: „Sollten uns Sorgen machen“

Für den Transfermarkt wird das weitreichende Folgen haben. Das weiß auch Arsène Wenger, Trainer des FC Arsenal. „Ich denke, wegen des neuen TV-Deals rollt eine Inflationswelle auf uns zu. Ich denke, dass es leicht sein wird, 100-Millionen-Transfers einzutüten“, verrät der französische Fußball-Guru der ‚Daily Mail‘.

Auch die Rolle der chinesischen Vereine ist Wenger bewusst. Der 66-Jährige zeigt sich besorgt: „Ja natürlich (bin ich besorgt, d. Red.), denn China scheint die Finanzkraft zu haben, eine ganze Liga an Spielern von Europa nach China zu locken. Es geht um wirtschaftliche Macht und die haben sie. Ob sie ihren Enthusiasmus beibehalten können? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie tief ihr Verlangen ist. Wenn es sich um ein politisches Verlangen handelt, dann sollten wir uns Sorgen machen.

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Transfers in den Händen der Politik?

Ist das von Wenger skizzierte sportliche Schreckensszenario einer politisch gesteuerten Transferoffensive realistisch? Auszuschließen ist es sicherlich nicht. Die chinesische Regierung um Staatschef Xi Jinping ist zumindest darum bemüht, den Fußball im Reich der Mitte als Volkssport zu etablieren. „Ich habe drei Wünsche: China soll sich für eine WM qualifizieren. China eine WM austragen und China soll eine WM gewinnen“, gab er zuletzt zu Protokoll.

Ob der Einfluss der Regierung ausreicht, um die Transferpolitik der Vereine langfristig zu beeinflussen, muss jedoch hinterfragt werden. Schließlich sind die chinesischen Klubs in der Hand von Unternehmen, deren Ziel die Gewinnmaximierung ist. Falls sich die teuren Transfers als unwirtschaftlich entpuppen sollten, werden die Unternehmen ihr Engagement sicherlich zurückfahren.

Außerdem haben die Spieler selbst noch ein Wörtchen mitzureden. Auch wenn viele von ihren mehrjährige hochdotierte Verträge unterzeichnet haben, ist nicht gesichert, dass sie diese auch erfüllen werden. In der Vergangenheit gab es genügend Spieler die in einem Fußball-Schwellenland wie Katar, Indien oder eben China unterschrieben, um ein üppiges Jahresgehalt einzustreichen und den Verein dann wieder gen Europa zu verlassen.

Folgen für die Bundesliga

Auch wenn die Angst vor einer chinesischen Transferflut zumindest zum Teil unbegründet ist, wird sich auf dem Transfermarkt doch einiges grundlegend ändern. Denn die Finanzkraft aus England und China ist nicht zu leugnen. Deutsche Vereine werden in Zukunft noch kreativer arbeiten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Dass die finanzielle Übermacht der ausländischen Klubs jedoch auch positive Folgen für die Bundesliga haben kann, betonte am heutigen Freitag Rudi Völler: „Ich finde das Geschrei über die England-Millionen übrigens übertrieben. Für uns war dieser Sommer ein Traum: Heung-Min Son ging nach Tottenham und durch die Einnahmen konnten wir Kevin Kampl und Chicharito verpflichten. Wir haben vom englischen Geld profitiert.“ Ob positiv oder negativ: Der kommende Sommertransfermarkt dürfte ein Novum in der Geschichte des Fußballs werden.

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