Atlético-Chelsea: Nur bitte kein Spielaufbau

von Lukas Heimbach
4 min.
Atletico Madrid Diego da Silva Costa @Maxppp

Mit Atlético Madrid und dem FC Chelsea treffen im Champions League-Halbfinale zwei Teams aufeinander, mit denen zu Saisonbeginn nicht unbedingt gerechnet wurde. Im Vorfeld der Partie wird mit einem Defensiv-Bollwerk beider Kontrahenten gerechnet. Dabei sind beide Teams trotz ihres ballbesitzarmen Spiels in ihrer taktischen Ausrichtung sehr unterschiedlich.

Im Schatten des großen Duells im Estadio Santiago Bernabéu zwischen Real Madrid und dem FC Bayern schaut die Fußballwelt in Madrid am heutigen Dienstagabend zunächst einmal 8,3 km südwestlich ins Vicente Caldéron. Vom ‚Nicht-Angriffs-Pakt‘, ‚Beton-Anrühren‘ und unspektakulärem Taktikgeplänkel war im Vorfeld viel zu lesen. Zunächst einmal scheint diese Einschätzung berechtigt. Beide Teams gefielen bislang vor allem mit blitzschnellem Umschaltspiel und brandgefährlichen Kontern. Als etwas öde und langweilig beschrien wird das Spiel beim neutralen Zuschauer wohl insbesondere deshalb, weil beide eher ein ballbesitzarmes Spiel präferieren.

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Entsprechend gibt es im Konzept der beiden Halbfinalisten keine ellenlangen Ballstafetten mit denen gegnerische Abwerreihen mürbe gespielt und Tore schlussendlich zelebriert werden, sondern schnörkellose Gegenstöße und eisenharte Disziplin. Insbesondere beim Gastgeber aus Madrid trifft die Umschreibung ‚Defensiv-Bollwerk‘ allerdings nicht zu. Das Team von Diego Simeone, das diverse Taktikfans in dieser Saison teilweise entzückt, verbarrikadiert sich nicht bis tief in die eigene Hälfte und lässt eine Angriffswelle des Gegners auf die nächste folgen. Vielmehr agiert man in einem enorm hohen und aggressiven Forechecking. Gerade gegen den FC Barcelona war dies im Viertelfinale sehr gut zu erkennen. So attackierten die Angreifer David Villa und im Hinspiel auch Diego Costa die Innenverteidiger ‚Barças‘ schon im Aufbauspiel an deren eigenem Strafraum und trugen somit dazu bei, dass das gefürchtete ‚Tiki-Taka‘ über die längste Zeit im Keim erstickt wurde. Die Katalanen wurden häufig zu Fehlern gezwungen oder wussten sich lediglich mit Befreiungsschlägen zu helfen.

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Zum Spielaufbau gezwungen

Auf das Team von José Mourinho trifft die Umschreibung der Beton-Truppe schon wesentlich eher zu. Während man in gewohnter Mourinho-Manier hinten hermetisch abriegelt, gehören die ‚Blues‘ im Konterspiel zum Besten, was die Fußballwelt zu bieten hat. Vor allem die Offensivreihe um André Schürrle, Eden Hazard, Oscar und Willian sowie dem pfeilschnellen Stürmerstar Samuel Eto’o, der voraussichtlich ausfällt, ist brandgefährlich bei Gegenstößen. Der FC Schalke 04 kann ein Lied davon singen. In der Gruppenphase waren die ‚Königsblauen‘ lange Zeit das bessere Team, mussten sich letztlich aber gegen eiskalte Engländer jeweils mit 0:3 geschlagen geben.

In der Defensive des Tabellenzweiten der Premier League regiert die eiserne Faust, gepaart mit großer internationaler Erfahrung. César Azpilicueta erhält wohl auf rechts den Vorzug vor Branislav Ivanovic, links spielt der 32-jährige Ashley Cole. Im defensiven Mittelfeld könnten David Luiz und Ramires das Duo auf der Doppelsechs bilden. Den beiden Außenverteidigern sowie Sechsern dürfte am heutigen Abend eine entscheidende Rolle zu kommen. Costa und Villa laufen die Innenverteidiger des Gegners häufig in einem großen Bogen an und versperren so den Passweg zu den Außenverteidigern. Gleichzeitig öffnet sich eine Anspielmöglichkeit auf die defensive Mittelfeld-Zentrale.

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Dort versuchen die ‚Rojiblancos‘ hoch in der generischen Hälfte Fehler zu erzwingen, um anschließend mit blitzschnellen Kombinationen den Abschluss zu suchen. Dies könnte für Chelsea zum Problem werden. Zwar verfügen alle genannten Akteure über eine starke Physis, offenbarten in der Vergangenheit jedoch, dass Pressingresistenz nicht zwangsläufig zu ihren Stärken gehört. Schließlich gibt es in der Premier League nicht viele Teams, die ein Pressing á la Atlético Madrid oder Borussia Dortmund aufziehen können. Haben die Chelsea-Akteure Zeit, sind sie häufig Weltklasse, unter Bedrängnis neigen sie hingegen zu Fehlern.

Öffnen die Angreifer der Spanier den Weg auf die Außen, pressen Koke und Arda Turan bzw. Adrian Lopes aggressiv auf Flügelverteidiger und werden von einem der beiden Angreifer unterstützt. Auch in der Primera División haben die ‚Rojiblancos‘ häufig gegen spielschwache Teams wenig Ballbesitz, da sie nach Balleroberung stets den schnellsten Weg zum Tor suchen und aus allen Lagen schießen. Vermutlich wird Taktikfuchs Mourinho versuchen, Atlético den Spielaufbau zu überlassen, denn dieser liegt beiden Mannschaften nicht besonders. Entsprechend kommt folgender Frage eine essenzielle Bedeutung zu: Wer kann wem den Spielaufbau aufzwingen?

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Schlüsselspieler

Auf Seiten der Gastgeber hängt das Spiel insbesondere von Kapitän Gabi und Stürmerstar Diego Costa ab. Gabi koordiniert sämtliche Mannschaftsteile, ordnet in der defensiven Mittelfeldzentrale seine Nebenleute und erobert in der Zentrale spielentscheidende Bälle. Der gebürtige Brasilianer Costa ist der beste Torschütze Atléticos und gibt zudem das Pressing der Simeone-Elf vor. Entsprechend richtet sich das Spiel gegen den Ball, das die ‚Rojiblancos‘ in dieser Spielzeit so stark macht, in erster Linie nach dem 25-Jährigen. Zudem ist er immer wieder Anspielstation für lange Bälle, wenn sein Team sich unter hohem Druck nicht spielerisch befreien kann, behauptet die Befreiungsschläge und setzt anschließend die nacheilenden Kollegen in Szene. Genau diese Art von Spieler fehlt Mourinho, der heute Abend wohl Fernando Torres das Vertrauen schenken wird.

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Bei den Londonern hängt vieles vom belgischen Superstar Eden Hazard ab. Der Youngster ist für das kreative Moment im Spiel der ‚Blues‘ verantwortlich. Ohne ihn fehlt es häufig an Idee und Esprit. Allerdings geht der 23-jährige Offensiv-Künstler angeschlagen in die Partie – sofern er überhaupt spielen kann. Fällt er aus, wäre dies gerade für das gefährliche Konterspiel Chelseas eine enorme Schwächung.

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