Eine Insel steht Kopf – Island bei der EM 2016

von Andre Oechsner
4 min.
Island Lars Lagerbäck @Maxppp

Am gestrigen Montagabend war es soweit. Die isländische Fußballnationalmannschaft sicherte sich mit einem trostlosen 0:0 gegen die Auswahl Kasachstans die Teilnahme an der Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Damit gelang dem Inselstaat erstmalig die Qualifikation zu einem kontinentalen Fußballturnier. Die Freude ist grenzenlos.

International auf sich aufmerksam machte bis jetzt nur die männliche Handballnationalmannschaft. Bei den vergangenen Welt- und Europameisterschaften belegte man jeweils einen Platz unter den besten Fünf. Mit dem Gewinn der Silbermedaille bei den olympischen Spielen 2008 gelang den Handballern zudem der größte Mannschaftserfolg der bisherigen isländischen Sportgeschichte.

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Konkurrenz bekommen die Handballer nun von ihren Kollegen, die das runde Leder bevorzugt mit den Füßen spielen. Vor zwei Jahren hatten die isländischen Fußballer denkbar knapp die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Brasilien verpasst. Nach dem Erreichen von Platz zwei in der Gruppenphase traf man in den Playoffs auf Kroatien. Nach einem torlosen Remis im Hinspiel musste man sich in Zagreb mit 0:2 geschlagen geben.

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Obwohl alle Vereine als Amateurklubs gelistet sind, gibt es in der Nachwuchsarbeit nur bezahlte Trainer. Der Fokus im isländischen Fußball liegt also auf professionellem Arbeiten im Jugendbereich. Trotz der geringen Einwohnerzahl gibt es auf der Insel 165 Trainer mit einer UEFA-A-Lizenz und 563 mit einer UEFA-B-Lizenz. So wartet, gleich bei welchem Verein, ein ambitionierter Trainer auf die jungen Kicker.

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Auch die deutsche Elf biss sich an den Isländern bereits die Zähne aus. Der Inselstaat empfing die deutsche Nationalelf in der Qualifikationsrunde zur EM 2004 in Portugal als Tabellenführer. Beim müden 0:0 im September 2003 platzte Cheftrainer Rudi Völler im berühmt-berüchtigten Weißbier-Waldi-Interview der Kragen. Den Achtungserfolg hat Island nun mit der vorzeitigen Qualifikation für die EM in Frankreich noch einmal deutlich getoppt. FußballTransfers stellt die wichtigsten Eckpfeiler des isländischen Nationalteams im Kurzportrait vor:

Gylfi Sigurdsson

In seiner Heimat wird der ehemalige Hoffenheimer als fußballerischer Hoffnungsträger nahezu vergöttert. Sigurdsson stellt im offensiven Mittelfeld seine Qualitäten unter Beweis und hat dort die Zügel in der Hand. Vor allem mit seiner überragenden Technik lässt der bei Swansea City unter Vertrag stehende 25-Jährige seine Gegner alt aussehen. Er trug sich in den bisherigen acht Qualifikationsspielen bereits fünfmal in die Torschützenliste ein.

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Aron Gunnarsson

Der 26-jährige Kapitän kam einst aus der Fußballschule des isländischen Erstligaklubs Thór Akureyri zum AZ Alkmaar und schnupperte dort zum ersten Mal internationale Fußballluft. Er ist im zentralen Mittelfeld Anspielstation Nummer eins und überzeugt mit seiner Ruhe am Ball. In der englischen Championship gilt der Rechtsfuß bei seinem Verein Cardiff City als unersetzbarer Teil der ersten Elf und kam vergangene Saison in 45 von 46 Spielen zum Einsatz.

Ragnar Sigurdsson

In der Abwehrkette ist er der unangefochtene Chef. Mit seinen 1,87 ist der Abwehrrecke enorm kopfballstark. Auf dem Boden glänzt der 29-Jährige mit einem exzellenten Stellungsspiel. Ihm merkt man seine international gesammelte Erfahrung an, die er in seiner Zeit beim dänischen Spitzenklub Bröndby IF gesammelt hat. Aktuell steht er beim FK Krasnodar unter Vertrag.

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Lars Lagerbäck

Bereits in seiner Zeit als schwedischer Nationaltrainer bewies der akribische Arbeiter, dass er ein erfolgreicher Trainer sein kann. Mit der Teilnahme an fünf aufeinanderfolgenden Turnieren hat Lagerbäck den bisherigen Landesrekord inne. Auf Island stellte man schon kurz nach seinem Amtsantritt im Oktober 2011 eine starke Verbesserung der fußballerischen Qualität fest. Auch nach der überraschenden Playoff-Teilnahme zur Weltmeisterschaft in Brasilien behielt der 67-Jährige stets die Nerven und wurde keinesfalls größenwahnsinnig. Seiner Spielweise kommt zudem zugute, dass er vermehrt auf international erfahrene Offensivspieler zurückgreifen kann.

Es wurde ausgiebig gefeiert

Im entscheidenden Spiel gegen Kasachstan wurde nach Abpfiff frenetisch gefeiert. Das komplette Laugardalsvöllur (Nationalstadion Islands, Anm. d. Red.) stand Kopf und die Weintrauben flogen nur so durch die Gegend. Auf dem zentralsten Platz in der Hauptstadt Reyjkavik, dem Ingolfstorgi, ging die Party bis in die frühen Morgenstunden weiter. Die Freude kannte auch bei den Beteiligten keine Grenzen, wie die schönsten Zitate belegen:

Trainer Lars Lagerbäck: „Ich würde nicht sagen, dass ich jetzt ein Nationalheld bin. Leute wie Nelson Mandela und Martin Luther King sind Helden. Ich bin nur ein Fußballtrainer.

Kapitän Aron Gunnarsson: „Das bedeutet alles für den isländischen Fußball, absolut alles. Es ist unbeschreiblich, ich bin so stolz auf das Team, ich bin so stolz ein Isländer zu sein.

Der Ex-Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson: „Dass sich so ein kleines Land wie wir, zwei Spieltage vor Schluss, in einer Gruppe mit der Niederlande, Tschechien und der Türkei qualifiziert – das passiert nicht alle Tage.

Der Nürnberger Rurik Gislason: „Es ist einfach Wahnsinn. Seitdem wir 16 Jahre alt sind, stehen wir fast immer in der selben Formation auf dem Spielfeld. Jeder kennt seine Rolle.

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