Scouting-App für Afrika: Rogon startet ungewöhnliche Spielersichtung

von Lukas Stellmach - Quelle: mtnfootball
5 min.
Mittelfeldmotor Naby Keita @Maxppp

Die Rogon Sportmanagement GmbH gehört zu den größten Spieleragenturen der Welt. Nun wagt der Big Player der Branche den Schritt auf den afrikanischen Markt – mit einer unkonventionellen Methode. Die Beraterfirma von Julian Draxler, Roberto Firmino und Co. steht vor der Veröffentlichung der Scouting-App Cuju, mit deren Hilfe die Sichtung von Afrikas Top-Talenten vereinfacht werden soll. FT erklärt, worum es geht und gibt aus Fußballersicht einen kurzen Einblick in die Faszination Afrika.

1,2 Milliarden Menschen leben in Afrika. Viele davon leben und lieben den Fußball – vor allem den in Europa. Fast jeder hat dort sein Team des Herzens, oftmals sogar eins pro Liga. Überall sind die Trikots der spanischen Schwergewichte FC Barcelona und Real Madrid, der deutschen Rivalen Borussia Dortmund und Bayern München sowie der großen englischen Premier League-Klubs aus Manchester, des FC Chelsea, des FC Arsenal oder FC Liverpool zu finden.

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Auf den lokalen Märkten, auf den Straßen, den Fußballplätzen, als Dekoration in Bars und Restaurants oder als Logo auf den Autos und öffentlichen Bussen – die Wappen der europäischen Topklubs begegnen jedem Touristen unausweichlich. Zu den Spielen der favorisierten Teams versammeln sich die Menschen vor den Fernsehgeräten. Der nationale Fußball wird zur Nebensache, wenn die Top-Ligen Europas anstoßen.

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Der Traum von König Fußball

Die Begeisterung verbindet die Generationen. Die Alten erzählen von den Triumphen der Vergangenheit und infizieren die Jungen mit dem Fußballfieber. Am Spiel mit dem runden Leder kommt fast niemand vorbei. Die öffentlich gelebte Leidenschaft rund um König Fußball ist allgegenwärtig und verbindet. Wie der große Traum eines jeden Nachwuchskickers: Fußballprofi in Europa.

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Das Ziel vom hochbezahlten Fußball ist durch die exorbitanten Gehälter also nachvollziehbarer als je zuvor. Fußballer werden zu Stars, verfügen in ihren Heimatländern zum Teil über mehr Einfluss als die heimischen Politiker. Durch die finanzielle Entlohnung aus einem Engagement in Europa können Spieler ganze Familien oder Dörfer versorgen und den Bedürftigen unter die Arme greifen.

Entwicklungsarbeit durch den Fußball? Nicht ganz.

Doch der afrikanische Fußball hinkt unerbittlich hinterher. Die schlechte Infrastruktur der Länder, die zum Teil katastrophalen Trainingsplätze und Stadien, die Vereinsstrukturen und die Konzepte der Verbände lähmen die Entwicklung in seiner Gesamtheit, aber auch die einzelnen Talente. Dabei steckt in der heranwachsenden Generation Afrikas ein unglaubliches Potenzial. Wie viel Potenzial, wird der Fußballbranche erst nach und nach bewusst.

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Wo die Vereine noch verhalten skeptisch sind, ob Spieler aus den afrikanischen Ligen den Sprung in die Eliteklassen des blauen Kontinents schaffen, intensivieren die Spielervermittlungsagenturen ihre Bemühungen auf dem afrikanischen Markt. Immer mehr Fußball-Akademien werden mit Hilfe von europäischen Investoren gegründet. Das Ziel: Die Ausbildung der vielversprechendsten Talente eines jeden Landes, um sie anschließend finanziell gewinnbringend in den Fußballkreislauf Europa einzuspeisen. Ajax Amsterdam betreibt seit Jahren eine Art Zweigstelle in Südafrika, um einen Fuß in die Tür des afrikanischen Fußballs zu bekommen.

Rogon will die Scoutingarbeit revolutionieren

Andere Akademien werden gar in Zusammenarbeit mit den großen Spielerberateragenturen eröffnet. Sie bauen ganze Komplexe, schicken europäisches Trainerpersonal und wollen so die Kinder gezielt auf den Fußball in England, Spanien, Frankreich, Italien oder Deutschland vorbereiten. Die Investitionen könnten sich schon bald lohnen.

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Auf den Afrika-Zug springt nun anscheinend auch die deutsche Agentur Rogon Sportmanagement auf. Nach Medienberichten von ‚mtnfootball‘ hat die in Ludwigshafen ansässige Agentur eine App entwickelt, die die Scoutingarbeit erleichtern soll. So soll die App ‚Cuju‘ jedem ermöglichen, seine fußballerischen Fähigkeiten per Video festzuhalten, um sie im Anschluss an Rogon zu übermitteln. Die Videos werden in der Folge gefiltert, sodass die vielversprechendsten Talente übrig bleiben. Interessante Spieler könnten in Scouting-Testspielen weiter beobachtet werden und im letzten Schritt zum Vorspielen nach Europa eingeladen werden. Ein ambitioniertes Projekt, das jedoch bis zur Veröffentlichung viele Fragen aufwirft.

Findet Rogon die passenden Antworten?

Wie wird die breite Masse auf die App aufmerksam gemacht und wäre es überhaupt förderlich, sie für jeden zugänglich zu machen? Sollte sie sich wirklich etablieren, wer fahndet in dem riesigen Videomaterial die Spieler von morgen? Wie soll eine zuverlässige Kontaktaufnahme ablaufen und reicht das Videomaterial wirklich aus, um Aussagen über die Stärke der Talente zu treffen? Auch vor dem Hintergrund des Age-Cheating, also der Anpassung des Geburtsdatums, muss man sich fragen, wie das Alter kontrolliert werden soll.

Rogons Schritt scheint aus Unternehmenssicht konsequent. Fast nirgendwo findet man eine solch große Anzahl von jungen Spielern mit fußballerischem Potenzial. Die Nachwuchskicker verfügen über die perfekte Symbiose von starken technischen Fähigkeiten und körperlicher Athletik. Durch die Akademien werden sie auf Fußballeuropa vorbereitet. Gute Trainingsanlagen, Internatsschulen, hohes Trainingsniveau und lizensierte Trainer und Vereinsverantwortliche hieven sie vor allem taktisch auf das nötige fußballerische Level und bereiten sie auch auf das Leben abseits des Platzes vor.

Zwischen Entwicklungshilfe und Ausbeutung

Soweit die verheißungsvolle Theorie des Big Players Rogon. Doch wie undurchsichtig und teilweise umstritten das Geschäft mit den jungen Fußballern vom schwarzen Kontinent ist, decken Dokumentationen wie ‚Soccers lost Boys‘ auf. In der Doku geht es um Fußballtalente aus Westafrika, die von angeblichen Beratern dazu bewogen werden, ihnen eine Geldsumme zu überweisen und im Gegenzug die Chance auf ein Probetraining in Europa zu erhalten. Ein Vorspielen bei den Vereinen findet jedoch in vielen Fällen gar nicht statt, sodass die Fußballer ohne ihr letztes Erspartes auf der Strecke bleiben und in den finanziellen und existenziellen Ruin gestürzt werden.

Es bleibt abzuwarten, wie die App der seriös arbeitenden Agentur einschlägt und welchen Profit die von Wolfgang Fahrian gegründete Firma aus dem Afrika-Engagement schlägt. Der Markt Afrika könnte zum interessantesten abseits von Europa werden. Schon jetzt ist er die Geburtsstätte vieler Stars in den Top-Ligen, wie Naby Keita von RB Leipzig, Sadio Mané vom FC Liverpool oder Serge Aurier von Paris St. Germain. Doch was andere Wirtschaftssektoren seit Jahrzehnten in den afrikanischen Staaten vollziehen, droht nun auch der Fußballbranche Afrika. Die totale Ausbeutung steht bevor. Das Geld geht denselben Weg wie die Spieler: Von Afrika nach Europa.

Finanziell profitieren werden neben den Familienangehörigen der Kicker nur die Agenturen aus Europa. Die Nachhaltigkeit des afrikanischen Fußballs geht in diesem Geschäftsmodell baden. Dabei könnte strukturierte Fußball-Entwicklungsarbeit so viel für die afrikanische Bevölkerung bewirken. Statt den weit entfernten europäischen Klubs vor dem Fernseher zuzujubeln, könnte so manch einer von der Karriere im eigenen Land träumen.

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