Liebe auf den zweiten Blick – macht's Kampl wie Reus?

von Tristan Bernert
5 min.
Kevin Kampl spielte eine überzeugende Hinrunde @Maxppp

Kevin Kampl schien auf dem besten Weg zu sein, ein durchschnittlicher Zweitligaspieler zu werden. Dann entdeckte ihn Roger Schmidt. Wenige Jahre später spielte er Champions League, musste aber den nächsten Karriereknick hinnehmen. FussballTransfers wirft einen Blick auf den Mann mit der auffälligen Haarpracht.

Du hast hier mehr Leute gegrüßt als ich.“ Bereits am ersten Tag musste Pressesprecher Dirk Mesch feststellen, dass Neuzugang Kevin Kampl bei Bayer Leverkusen tief verwurzelt ist. Elf Jahre lang spielte der Mann mit dem blonden Haarschopf für die ‚Werkself‘, ehe er den Verein verließ. Über Umwege fand er zurück in seine Heimat. Eine Liebesgeschichte, wie sie nur der Fußball schreibt? Mitnichten. Denn die Beziehung Leverkusen-Kampl war eigentlich schon beendet.

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Seit seinem siebten Lebensjahr spielte der gebürtige Solinger für die Leverkusener. Unterm Bayerkreuz durchlief er sämtliche Jugendmannschaften, ehe er 2009 ins Regionalliga-Team befördert wurde. Seine Leistungen ließen Greuther Fürth aufhorchen, das den Deutsch-Slowenen 2010 in die zweite Liga holte. Der Wechsel entpuppte sich als Missverständnis. Auch bei den ‚Kleeblättern‘ kam Kampl nur in der zweiten Mannschaft zum Einsatz und kehrte deshalb nach einem halben Jahr nach Leverkusen zurück.

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Abschied aus der Heimat

Zu diesem Zeitpunkt schien niemand mehr so recht daran zu glauben, dass sich der Rechtsfuß zu einem für Bayer wertvollen Spieler entwickeln könnte, weshalb im Sommer 2011 der Wechsel zum VfL Osnabrück in die dritte Liga folgte. Zu diesem Zeitpunkt begann der rasante Aufstieg des damals 20-Jährigen. Nach einer starken Saison folgte der Wechsel zum VfR Aalen. Für den Zweitligisten absolvierte er nur drei Spiele, eher RB Salzburg ernst machte und drei Millionen Euro für Kampl auf den Tisch legte.

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Schon damals wunderte man sich in Leverkusen darüber, welche Entwicklung das Eigengewächs genommen hatte. Doch Kampl hatte gerade erst damit begonnen, sein Potenzial auszuschöpfen. In Österreich avancierte er unter dem jetzigen Leverkusen-Coach Roger Schmidt zum großen Star der Liga. Im Januar 2015 klopfte Borussia Dortmund an, das gerade in einer tiefen Krise steckte. Kampl sollte helfen, den Verein zu alter Stärke zurückzuführen und wechselte für zwölf Millionen Euro in die Bundesliga. Beim BVB enttäuschte er jedoch und fand sich schnell am Rande des Kaders wieder.

Kampl auf Reus' Wegen

Im prominent besetzten Mittelfeld der ‚Schwarz-Gelben‘ konnte sich der slowenische Nationalspieler nicht durchsetzen. Statt dem Neuzugang schenkte Trainer Jürgen Klopp etablierten Spieler wie Marco Reus das Vertrauen. Dabei weisen die beiden Blondschöpfe nicht nur optisch gewisse Parallelen auf.

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Reus startete in der Jugend von Borussia Dortmund, ehe er in der U17 zu Rot-Weiß Ahlen wechselte. Für eine Karriere beim Erstligisten schien es nicht zu reichen. Über die erste Mannschaft der Ahlener ging es jedoch Jahre später über die Station Borussia Mönchengladbach zurück zum BVB. Nun ist Reus ein gefeierter Star. Kampl könnte einen ähnlichen Weg beschreiten, denn auch ihn zog es auf Umwegen zurück in die Heimat.

Alle guten Dinge sind zwei

Denn auch in der aktuellen Spielzeit unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel war Kampl nur Ergänzungsspieler. Das rief Bayer Leverkusen auf den Plan, das nach dem Wechsel von Heung-Min Son zu Tottenham Hotspur für 30 Millionen Euro und der Verletzung von Charles Aránguiz Nägel mit Köpfen machte. „Wir hätten Kevin gerne schon im vergangenen Winter verpflichtet", sagte Schmidt bei der offiziellen Vorstellung Kampls, „umso mehr freue ich mich darüber, dass es ein halbes Jahr später geklappt hat. Er ist ein toller Spieler, mit dem wir noch viel Spaß haben werden."

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Aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit des Duos wäre eine schnelle Integration möglich: „Unser Spiel hier ähnelt der Art, wie wir in Salzburg gespielt haben, und Kevin kennt alle Abläufe. Das ist eine Spielweise, die ihm sehr gut liegt, das beschleunigt die Integration. Das ist ein riesiger Vorteil. Ich weiß, dass er ein sehr guter Fußballer ist, der in der Lage ist, seine Mitspieler einzusetzen.

Schmidt sollte Recht behalten. Am gestrigen Mittwoch stand Kampl im Champions League-Gruppenspiel gegen BATE Borisov in der Startelf. An der Seite von Lars Bender zog er die Strippen im defensiven Mittelfeld der ‚Werkself‘. Beim 4:1-Sieg zeigte er eine überragende Leistung auf einer Position, die auf den ersten Blick ungewohnt scheint . Schließlich kam der slowenische Nationalspieler beim BVB über den rechten Flügel. „Kevin ist sicher kein Flügelspieler.  Dass er als Spielgestalter ein Spiel ankurbeln kann, war mir klar. Und das hat er gut gemacht“, erklärt Schmidt in der ‚Rheinischen Post‘ seine Sicht der Dinge.

„Komme mit Freude zum Training“

Zwar sagt ein einziges Spiel nicht immer viel über das Leistungsvermögen eines Spielers auch, doch die Souveränität, mit der Kampl defensiv in die Zweikämpfe ging und offensiv das Spiel aufzog, wusste zu beeindrucken. Dem 24-Jährigen war anzumerken, dass er sich in seinem gewohnten Umfeld wohlfühlt. „Das sind ja alles Fußballer wie gemacht für die Art Fußball, die wir auf den Platz bringen wollen. Das sind alles korrekte Jungs, es macht riesigen Spaß, ich komme jeden Tag mit Freude zum Training und freue mich einfach auf die Zeit, die vor mir liegt“, bestätigt er im ‚kicker‘.

Dass die ‚Werkself‘ ihn vor einigen Jahren bereits aussortiert hatte, scheint Kampl nicht zu stören: „Früher war ich hier der kleine Junge, jetzt habe ich ein bisschen was von der Welt gesehen.“ Ihm scheint bewusst zu sein, dass er es ohne die Zwischenschritte wohl nie auf sein jetziges Leistungsniveau gebracht hätte.

Im zweiten Anlauf scheint Kampl mit Bayer Leverkusen seine Liebe gefunden zu haben. Am kommenden Sonntag geht es gegen die Verflossene Borussia Dortmund. Der Neu-Sechser wird wohl auch im Signal Iduna Park in der Startelf stehen und sieht sein Team nicht chancenlos: „Bayer hat die letzten beiden Spiele dort gewonnen. Ich denke, es wird eine offene Sache. Wir versuchen beide, offensiven Fußball zu spielen. Es wird ein schweres Spiel, aber ohne Chancen gehen wir nicht dahin. Wir müssen mutig spielen.“ Ob er in Dortmund dann auch mehr Menschen begrüßen wird als der Pressesprecher, bleibt abzuwarten.

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