Kommentar: Wolfsburg denkt zu weit voraus
Im Abstiegskampf vertraut der VfL Wolfsburg auf Andries Jonker. Doch ist der Niederländer als Feuerwehrmann die richtige Wahl? Aussagen von Olaf Rebbe lassen den Rückschluss zu, dass die Wölfe den Abstiegskampf nicht besonders ernst nehmen.
Beim VfL Wolfsburg hat man sich auf die Fahnen geschrieben, zukünftig verstärkt auf die Entwicklung von Talenten zu setzen. Ein lobenswerter Ansatz, auch wenn er ein wenig aus der Not heraus geboren wurde. Denn VW wird seine Zuwendungen in den kommenden Jahren deutlich zurückschrauben.
Andries Jonker als neuer Chefcoach ist insofern eine hervorragende Wahl. Schon bei seinen Stationen als Co-Trainer hat der Niederländer nachgewiesen, dass es hervorragend versteht, mit jungen Spielern zusammenzuarbeiten. „Andries ist ein absoluter Fußball-Fachmann, der Spieler entwickeln kann“, schwärmt Olaf Rebbe von dem Neuzugang, der seine Qualitäten als Leiter des Nachwuchszentrums vom FC Arsenal zuletzt eindrucksvoll nachgewiesen hat.
Richtiger Mann zum falschen Zeitpunkt
Dennoch drängt sich an dieser Stelle eine fast schon existenzielle Frage auf: Hat die Sportliche Führung der Wölfe schlichtweg außer Acht gelassen, in welcher prekären Lage sich der Klub befindet? Der Abstand auf den Relegationsplatz beträgt schließlich magere zwei Punkte. Und die kommenden Partien in Mainz und Leipzig werden alles andere als Selbstläufer. Das Abrutschen auf Rang 16 ist also kein utopisches Szenario. Ob Jonker dann ausreichend Muße für die Entwicklung von jungen Spielern hat, ist mehr als fraglich
„Es geht nicht darum, welches System ich bevorzuge. Es geht darum, schnell die 40 Punkte zu holen“, sagte Jonker selbst bei seiner Vorstellung. Den Blick auf das Wesentliche kann man dem 54-Jährigen also nicht absprechen.
Situation unterschätzt?
Dennoch bleibt der Eindruck haften, dass man in Wolfsburg unbewusst großes Risiko geht. Der Feuerwehrmann, den viele Klubs an dieser Stelle verpflichtet hätten, ist Jonker nicht. Und schon andere Vereine mit ähnlich gut besetzten Kadern mussten am Ende den Gang in die zweite Liga antreten, weil die Gefahr unterschätzt wurde – siehe Nürnberg im Jahr 2008 mit Stars wie Marek Mintal, Robert Vittek oder Zvjezdan Misimovic.
Aber es gibt auch Gegenbeispiele, die belegen, dass zukunftsträchtige Entscheidungen auf der Trainerposition einen sofortigen Aufschwung nicht ausschließen. Jüngstes Beispiel ist Julian Nagelsmann, der die TSG Hoffenheim in der vergangenen Saison in akuter Abstiegsgefahr übernahm und inzwischen zum Europapokal-Aspiranten geformt hat.
Nachrichten