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Talente-Großhandel Chelsea – Profitgeschäft oder Irrsinn?

von Lukas Heimbach
6 min.
Unterschiedliche Perspektiven: Courtois, Zouma, de Bruyne @Maxppp

Junge Talente überteuert einkaufen, ein paar Jahre verleihen und anschließend dennoch gewinnbringend weiterverkaufen. Diese Transferpolitik hat beim FC Chelsea seit einigen Jahren Methode. Dabei zerstören die Londoner das Marktgefüge, was dem Klub aber wohl egal ist. Hauptsache der Erfolg stimmt. Ein Rückblick auf die Einkaufspolitik der vergangenen Jahre beim Talente-Großhandel von der Stamford Bridge.

Am 1. Juli 2003 übernahm ein gewisser Roman Abramowitsch den FC Chelsea. Für 210 Millionen Euro kaufte er den Londoner Verein, der bis dato nur einen englischen Meistertitel feiern konnte. Fortan änderte sich an der Stamford Bridge vieles grundlegend. Und mit dem Einzug des russischen Oligarchen in die Premier League florierte auf der globalen Fußballbühne die Investorenlandschaft. Mäzene kauften sich bei Klubs ein und motzten mit Millionenausgaben in aberwitzigen Bereichen die Kader ehemaliger Traditions-, aber auch zahlreicher Retortenklubs auf.

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Seit diesem Julianfang vor gut elf Jahren wurde Chelsea drei weitere Male Meister, holte viermal den FA Cup, zweimal den Liga Cup und als Krönung 2012 die Champions League – die Bayern werden sich sehr schmerzlich erinnern. Den ersten Verpflichtungen von fertigen Top-Stars wie Hernán Crespo (26 Mio./Inter Mailand) oder Juan Sebastián Verón (22,5 Mio./Manchester United) folgten unter anderem Spieler wie Arjen Robben (18 Mio./PSV Eindhoven) oder Didier Drogba (37 Mio./Olympique Marseille).

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Einführung einer ausgeklügelten Einkaufspolitik und Belgien-Boom

Zudem baute Chelsea sukzessive eine hochprofessionelle Scouting-Abteilung auf und etablierte eine ausgeklügelte Einkaufspolitik, von der man heute zehrt. Zunächst setzten die ‚Blues‘ ihren Fokus vor allem auf Süd- und Osteuropa. Mit der Zeit schwenkte dieser immer weiter um, vor allem nach Belgien. Talenten wie dem zu diesem Zeitpunkt 16-jährigen Slobodan Rajkovic (5,2 Mio./OFK Belgrad), dem Tschechen Tomás Kalas (6 Mio./ Sigma Olmütz), Nemanja Matic (1,75 Mio./MFK Kosice) oder Franco di Santo (4,5 Mio./Audax Italiano) folgten ab 2011 vor allem hochveranlagte belgische Juwele.

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Ab der Saison 2011/12 gab es eine wahre Top-Talentflut bei Chelsea, die insbesondere aus den Benelux herüberschwappte. So kamen zunächst Kevin de Bruyne für stattliche acht Millionen Euro und Thibaut Courtois für 8,95 Millionen vom KRC Genk sowie der damals 18-jährige Romelu Lukaku für 22 Millionen Euro vom RSC Anderlecht. Courtois verliehen die Londoner sogleich für drei Jahre an Atlético Madrid, wo er zum Superstar avancierte. Zudem verpflichtete man für sieben Millionen Euro den 17-jährigen Brasilianer Lucas Piazón aus der zweiten Mannschaft des FC São Paulo, der nach Leihen zum FC Malaga und Vitesse Arnheim nun ein Jahr Spielpraxis bei Eintracht Frankfurt sammelt.

Präventivkäufe mit System

Natürlich rüsteten die Londoner das Starensemble zudem immer weiter mit etablierten Stars für Summen im hohen zweistelligen Millionenbereich auf. Grundsätzlich zielte die neue Transferpolitik aber mehr und mehr darauf, angehende Weltstars schon früh ausfindig zu machen und für verhältnismäßig wenig Geld an die Stamford Bridge zu lotsen, um sie zu formen und reifen zu lassen.

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In gewisser Weise kann man daher wohl auch von Präventivkäufen sprechen. Bevor die Konkurrenz ein Top-Talent wegschnappt oder Chelsea ein paar Jahre später ein Vielfaches für einen Spieler auf den Tisch legt, sichert sich der vierfache englische Meister lieber vorab die Dienste eines Youngsters, der noch voll in seiner Entwicklung steckt. Auch auf die Gefahr hin, dass er sich letztlich nicht zum gewünschten Star entwickelt.

Die Methode floriert

Auch in der Saison 2012/13, als Chelsea 40 Millionen Euro für Eden Hazard an den OSC Lille überwies, wollte man keine Kompromisse eingehen und sicherte sich für die Zukunft zugleich die Dienste von Bruder Thorgan. Für eine Millionen Euro kam Youngster vom RC Lens ebenfalls an die Stamford Bridge. Nach zwei Jahren Ausleihe zum SV Zulte-Waregem, wo er zum besten Spieler der belgischen Jupiler League gekürt wurde, darf sich nun Borussia Mönchengladbach für ein Jahr über die Fertigkeiten des Edeltechnikers freuen.

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Neben den Hazard-Brüdern sicherte sich der CFC auch das brasilianische Abwehrtalent Wallace Oliveira dos Santos für 5,4 Millionen Euro von Fluminense. Auch Marko Marin holten die ‚Blues‘ in dieser Saison für schlappe acht Millionen Euro von Werder Bremen und hofften wohl auf eine positive Entwicklung.

Vergangene Saison folgten Christian Atsu (3 Mio./FC Porto), Marco van Ginkel (9,4 Mio./Vitesse Arnheim), Stipe Perica (2,45 Mio./NK Zadar), Cristián Cuevas (1,9 Mio./CD O’Higgins) sowie Kurt Zouma (14,5 Mio./AS St. Étienne). Der französische Innenverteidiger wurde im Winter verpflichtet, zunächst aber bis Saisonende zurück an die Franzosen verliehen. Nun wird der 19-Jährige entweder direkt in den Kader von trainer José Mourinho integriert oder erneut verliehen. Die AS Monaco gilt als Interessent.

Magath'sche Sphären – nur mit deutlich mehr Erfolg

Die große Hoffnung schwingt bei allen Transfers mit, dass aus einem großen Potpourri an angehenden Stars eine erlesene Auswahl den dauerhaften Sprung in den Profikader schafft und der andere Teil gewinnbringend verkauft werden kann. So ganz gingen die Pläne der Hauptstädter jedoch nicht in allen Fällen auf. Einige Talente wurden nach diversen Ausleihen weiterverkauft, ohne großes Geld in die Kassen zu spülen oder den nächsten Schritt in ihrer Karriere gemacht zu haben.

Das mutet auch bei Chelsea ein wenig an wie die fast schon berühmte Willkür-Transferpolitik von Felix Magath: Erst einmal viel kaufen, aussieben und am Ende bleibt noch immer ausreichend Qualität über. Dass man mit diesem Vorgehen das Marktgefüge aus den Angeln hebt und die Schere zwischen internationalen Top-Klubs, die das große Portemonnaie besitzen, und dem Rest immer weiter auseinander klafft, scheint kalkulierte Methode, die man – dem eigenen Erfolg alles unterordnend – hinnimmt.

Abschließend lässt sich ein Großteil des Nachwuchs-Transfers der vergangenen Jahre grob in verschiedene Rubriken unterteilen. So gibt es nur eine Hand voll Spieler, die tatsächlich nachhaltig den Sprung in den Profikader der ‚Blues‘ schaffen können. Viele werden gewinnbringend verkauft, einige befinden sich noch in einem Zwischenstadium und verleben Ausleih-Odysseen. Andere wiederum versinken schließlich in der Bedeutungslosigkeit und werden abgegeben.





Kategorie 1: Schaffen voraussichtlich den Sprung in den Kader

Thibaut Courtois: 2011, (8,95 Mio./KRC Genk), 3 Jahre Ausleihe an Atlético Madrid.

Kurt Zouma: 2014, (14,5 Mio./AS St. Étienne), halbes Jahr Ausleihe an St. Étienne.

Kategorie 2: Wurden gewinnbringend verkauft

Patrick van Aanholt: 2007, (300.000/PSV Eindhoven) –> 2014, (3 Mio./FC Sunderland).

Romelu Lukaku: 2011, (22 Mio./RSC Anderlecht) -> 2014, (35,36 Mio./FC Everton).

Kevin de Bruyne: 2011, (8 Mio./KRC Genk) -> 2014, (22 Mio./VfL Wolfsburg).

Jeffrey Bruma: 2007, (120.000/Feyenoord Rotterdam) -> 2013, (2,95 Mio./PSV Eindhoven).

Daniel Sturridge: 2011, (7,25 Mio./Manchester City) –> 2013, (15 Mio./FC Liverpool).

Kategorie 3: Zukunft noch offen

Thorgan Hazard: 2012, (1 Mio./RC Lens) -> verliehen an Borussia Mönchengladbach.

Lucas Piazón: 2011, (7 Mio./FC São Paulo) -> verliehen an Eintracht Frankfurt.

Tomás Kalas: 2010, (6 Mio./Sigma Olmütz) -> verliehen an den 1. FC Köln.

Christian Atsu: 2013, (3 Mio./FC Porto) -> verliehen an den FC Everton.

Wallace Oliveira dos Santos: 2013, (5,4 Mio./Fluminense) -> verliehen an Vitesse Arnheim.

Cristián Cuevas: 2013, (1,9 Mio./CD O’Higgins) - > verliehen an Universidad de Chile.

Oriol Romeu: 2011, (5 Mio./FC Barcelona) - > verliehen an den VfB Stuttgart.

Stipe Perica: 2014, (2,45 Mio./NK Zadar).

Marco van Ginkel: 2013, (9,4 Mio./Vitesse Arnheim).

Kategorie 4: Verlustgeschäft

Nemanja Matic: 2007, (1,75 Mio./MFK Kosice) -> 2011, (5 Mio./Benfica Lissabon) -> 2014, für 25 Mio. Zurück zu Chelsea.

Slobodan Rajkovic: 2007, (5,2 Mio./OFK Belgrad) -> 2011, (2 Mio./Hamburger SV).

Franco di Santo: 2008, (4,5 Mio./Audax Italiano) -> 2010, (2,5 Mio./Wigan Athletic).

Kategorie 5: Haben wohl keine Perspektive

Matej Delac: 2010, (3 Mio./Inter Zapresic) -> derzeit noch an FK Sarajevo ausgeliehen.

Ulises Dávila: 2011, (2 Mio./Deportivo Guadalajara).

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