Benítez neuer Real-Coach: Willkommen im Wahnsinn

von Kevin Niekamp
4 min.
Rafa Benítez tritt bei Real kein einfaches Amt an @Maxppp

Nun ist es also amtlich. Rafael Benítez wird der neue Trainer bei Real Madrid. Er ist der 13. seit der Jahrtausendwende und der Wahl von Florentino Pérez zum Präsidenten. Benítez darf sich nun auf dem Schleudersitz versuchen, an dem schon ganz andere gescheitert sind.

Eigentlich wollte keiner der Spieler, dass Carlo Ancelotti geht. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer schien mehr als in Takt. „Es geht ein Großer, es bleibt ein Freund“, schrieb beispielsweise Sergio Ramos. Das Problem: Ancelotti und sein Team holten in dieser Saison keinen der großen drei Titel.

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Am Ende war gegen den Stadtrivalen Atlético Madrid früh im Pokal Schluss, in der Meisterschaft wurde man mit zwei Punkten Rückstand „nur“ Vizemeister und in der Champions League folgte das Aus „schon“ im Halbfinale. Es gibt mehr als 1000 Vereine auf der Welt, die mit dieser Bilanz mehr als einverstanden wären. Real ist aber eben keiner dieser Vereine.

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365 Tage: La Decima und Rauswurf

Noch vor gut einem Jahr schien die Real-Welt mehr als in Ordnung. Ancelotti holte soeben den zehnten Titel in der Champions League nach Madrid. Der schier unendlich Traum von ‚La Decima‘ wurde wahr. In jedem anderen Verein hätte der Italiener vermutlich ein Denkmal bekommen – in Madrid folgte ein Jahr später der Rauswurf.

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Real, das steht nach eigener Definition für Erfolg, Geld, Macht und die größten Stars. In Person von Florentino Pérez jedoch nicht für langfristiges Denken, vorausschauende Planung und vor allem Fußballsachverstand.

Keine sportlichen Transfers

Ancelotti forderte bereits zu Beginn seiner Amtszeit Verstärkungen für die Defensive. Schaut man sich diese genauer an, scheint es mehr als logisch. Nicht, dass sich dort nicht auch hoch dekorierte Nationalspieler tummeln, doch vorne gab es im Sommer 2013 wenig Grund für Veränderungen. Die Offensive um Cristiano Ronaldo, Ángel di María, Mesut Özil und Karim Benezma hatte in der vorangegangen Saison 103 Tore erzielt. Doch es gab ja Gareth Bale, der für viel Geld und damit viel Aufsehen in den Medien verpflichtet werden musste. Özil fiel dem zum Opfer und musste gehen. Die Reaktionen der Mitspieler glichen denen vom Ancelotti-Abschied.

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Ancelotti konnte Bale in sein System integrieren. Der positive Nebeneffekt war die Entwicklung von di María, der ins Zentrum auf die Doppel-8 im 4-3-3 rückte. Der Argentiner spielte sein beste Saison im weißen Trikot – musste jedoch nach der Saison gehen, weil James Rodríguez bei der WM aufgedreht hatte und sich viel besser vermarkten ließ. Es sind nur zwei Personalien, die verdeutlichen, was in Madrid seit Jahren geschieht: Spieler werden nicht nach ihrem sportlichen Wert eingekauft.

Die von Ancelotti geforderten Verstärkungen für die Abwehr blieben aus. Der Grund: Die Defensivspieler haben nicht die Populaität wie die Kicker, die für das Spektakel und die Tore stehen. Der Kroos-Transfer fällt aus dieser Liste, doch wie heißt es so schön: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn und Ausnahmen bestätigen die Regel.

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Benítez der Nächste – wie lange?

Nun soll sich also Rafa Benítez auf dem Real-Schleudersitz versuchen. Der Spanier ist nicht unbedingt für seinen erfrischenden Fußball bekannt, dafür erfüllt er das entscheidende Pérez-Kriterium. Er spricht spanisch. Damit war er auch nahezu der einzige mögliche Kandidat. Auch Sevillas Coach Unai Emery wurden Außenseiterchancen eingeräumt. Am Ende war er wohl zu jung, zu unerfahren und vor allem zu unbekannt. Auch seine baskische Herkunft war Pérez dem Vernehmen nach ein Dorn im Auge.

Der gebürtige Madrilene Benítez, der von den Chelsea Fans als „dicker spanischer Kellner“ beschimpft wurde, hat zumindest das gleiche Feindbild wie viele bei Real: Jose Mourinho. „Ihre Meinung zu José Mourinho?“ „José wer?“, so Benítez im ‚11 Freunde‘-Interview. „Ich habe mit Inter den Weltpokal und mit Chelsea die Europa League gewonnen. Das ist meine Meinung“, auf die Frage welche Rolle Mourinho als sein Vorgänger bei Chelsea und Inter gespielt hat.

Eines kann man Benítez nicht vorwerfen: Erfolgslosigkeit. In Spanien gewann er 2002 und 2004 die Meisterschaft mit Valencia. Es waren neben dem Gewinn von Atlético 2014 die einzigen beiden seit 15 Jahren, die nicht von Real oder ‚Barca‘ eingefahren wurden. Mit Liverpool, Valencia und Chelsea gewann er die Champions League beziehungsweise die Europa League.

Wer kommt als Antrittsgeschenk?

Er gilt als taktisch kluger Trainer, der das Kollektiv über die Individualisten stellt. Ein Ansatz, der bei Real schon lange nicht mehr verfolgt wurde. Aus gutem Grund: Die Egos von Ronaldo und Co. stellen sich nur ungern hinten an. Defensivarbeit, um den Mitspielern zu helfen gibt es nur in den seltensten Fällen. Es wird die große Herausforderung für Benítez, ob er seinen Plan auch bei Real umsetzen kann. In Madrid muss er vor allem Erfolg haben und das ganze sollte auch noch schön aussehen. Von diesen beiden Faktoren hängt die Dauer seiner Tätigkeit ab.

Mit Danilo kommt, jetzt wo Ancelotti weg ist, eine Verstärkung für die Defensive. Auch auf der Torwartposition soll noch etwas passieren. Das wird Real nicht reichen. In der neuen Saison müssen wieder Titel her und das geht bekanntlich nur, wenn man viel Geld ausgibt. Paul Pogba wäre diese schillernde und medienwirksame Verpflichtung. Und sie würde auch sportlich Sinn ergeben.

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