Spielerschelte statt Schutz: Warum Mourinho die Erfolgsspur verlassen hat

von Tristan Bernert
4 min.
Nicht zufrieden: José Mourinho @Maxppp

Lange Zeit schien es, als sei José Mourinho unfehlbar. Was der Portugiese anfasste, wurde zu Gold. Zuletzt schien The Special One jedoch seine Souveränität zu verlieren. Nach seiner Entlassung beim FC Chelsea kommt auch Manchester United nicht richtig in Fahrt. Für Mourinho wird es Zeit, sich zu hinterfragen.

Angeeckt ist José Mourinho schon immer. Spätestens als der Portugiese im Sommer 2004 als frischgebackener Sensationssieger der Champions League zur Antrittspressekonferenz beim FC Chelsea erschien und verkündete „Denken Sie bitte nicht, dass ich arrogant bin. Aber ich bin etwas Besonderes“, wusste Fußballeuropa Bescheid. The Special One polarisierte, doch in einer Sache waren sich Unterstützer und Kritiker einig: Der Erfolg gibt ihm Recht. Auf den Königsklassen-Triumph mit dem FC Porto folgte die erste Meisterschaft der Blues seit 50 Jahren. Auch mit Inter Mailand gewann er einige Jahre später die Champions League und auch nach seiner Rückkehr an die Stamford Bridge konnten die Blues sich über Titel freuen.

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Das verlorene Erfolgsrezept

Mit der Saison 2015/2016 begann dann jedoch die erste große Krise in der Karriere des einst besten Trainers der Welt. Der FC Chelsea startete katastrophal in die Spielzeit, keiner der nur wenige Monate zuvor gefeierten Spieler konnte überzeugen und The Special One erwies sich als unfähig, das Ruder herum zu reißen. Was folgte, war die Entlassung. Gleichbedeutend mit einem Knick in der Karriere des 53-Jährigen war dies jedoch nicht. Nur wenige Monate später heuerte er bei Manchester United an, mit dem Auftrag den Traditionsklub zurück zu alter Stärke zu führen. Gelungen ist dies bisher nicht. Trotz enormer Investitionen auf dem Transfermarkt stehen die Red Devils nach elf Spieltagen mit acht Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze auf Rang sechs.

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Es scheint, als habe Mourinho in den vergangenen Jahren sein Erfolgsrezept verloren. Dabei ist auf den ersten Blick alles wie immer. Mourinho eckt immer noch an, polarisiert immer noch mit seinen Aussagen und lässt sich immer noch nicht verbiegen. Die Unterschiede liegen im Detail. In der Vergangenheit nutzte der 53-Jährige seine Art, um die mediale Aufmerksamkeit vollständig auf sich lenken. Sein Team nahm er somit aus der Schussbahn. Die Mannschaft konnte ungestört arbeiten, was einzelne Spieler besser machte. Zahlreiche ehemalige Schützlinge lobten ihn als den besten Trainer der Welt. Brancheninsider verrieten, dass der private José nichts mit der medialen Kunstfigur The Special One zu tun habe.

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Offene Kritik an Spielern

Mittlerweile hört man immer weniger solcher Lobeshymnen – im Gegenteil. „Conte weiß, wie er mit Spielern umzugehen hat, weil er selbst einmal auf dem höchsten Level gespielt hat“, schoss Eden Hazard im Sommer in Richtung Mourinho. Der Belgier war in den letzten Monaten des Portugiesen an der Stamford nur ein Schatten seiner selbst gewesen. Auch bei Manchester United hat es der 53-Jährige offenbar verlernt, seine Spieler besser zu machen. Auch in diesem Fall ist eher das Gegenteil eingetreten. Die Ausbootung des Musterprofis Bastian Schweinsteiger war ebenso überraschend wie unnötig. Henrikh Mkhitaryan, der bei Borussia Dortmund das beste Jahr seiner Karriere spielte, wirkt im Old Trafford verloren.

Jüngst sind zwei weitere Spieler auf Mourinhos Abschussliste geraten: Luke Shaw und Chris Smalling. Beide hatten sich am vergangenen Sonntagmorgen – kurz vor der Partie Uniteds gegen Swansea City – mit Verletzungen abgemeldet. Mourinho schien den beiden nicht zu glauben. „Es ist einen Unterschied zwischen den Tapferen, die immer da sind, egal was es kostet, und denen, denen schon ein bisschen Schmerz etwas ausmacht“, sagte er ‚Sky Sports‘ nach dem Spiel. In der Kabine soll Mourinho gar gepoltert haben, dass er nur Spieler gebrauchen könne, „die bereit sind, über ihre körperlichen Grenzen zu gehen.“ Die Botschaft ist klar: Shaw und Smalling sind angezählt.

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Der falsche Weg?

Statt das Duo anzugreifen, wäre Mourinho besser beraten gewesen, die Situation intern zu lösen und die Chance wahrzunehmen, sich als Psychologe auszuzeichnen. Gerade Shaw, der lange Zeit mit einer Horror-Verletzung ausfiel, sollte zugestanden werden, dass er immer wieder mit Problemen nach seinem Beinbruch zu kämpfen hat. Mourinho lässt den psychologischen Schaden, den eine solche Verletzung mit sich bringt, jedoch offenbar außer Acht. Auch die Kommentare gegenüber Smalling wirken fehl am Platz. Der 26-Jährige fiel schon in der Vorwoche aus und ist bei den Red Devils nach bärenstarken Leistungen unter Louis van Gaal zum Führungsspieler gereift.

Beide haben nun Zuspruch von prominenter Stelle erhalten. Englands Nationaltrainer Gareth Southgate habe keinerlei Zweifel daran, dass das Duo verletzt ist, weshalb er sie auch nicht für die kommenden Länderspiele nominierte: „Ich kenne Chris nicht gut, aber ich hatte nie den Eindruck, (dass er ein schwieriger Charakter ist, d. Red.). Luke kenne ich sehr gut. Es ist für Außenstehende immer einfach, Leute zu verurteilen.“ Mourinho wird sich von diesen Worten sicherlich nicht beirren lassen, auch wenn es vielleicht an der Zeit wäre. Das hat er jedoch noch nie getan. Und angeeckt ist er schon immer.

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