Nach monatelangem Baggern sicherte sich Paris St. Germain in diesem Winter die Dienste von Khvicha Kvaratskhelia. Der Georgier brauchte im Star-Ensemble des Scheichklubs nur eine kurze Anlaufzeit und ist bereits einer der Publikumslieblinge. Offiziell kam er als Ersatz für Kylian Mbappé, doch er erinnert viel mehr an einen anderen Ex-PSG-Star.

Khvicha Kvaratskhelia sollte bereits im vergangenen Sommer von der SSC Neapel zu Paris St. Germain wechseln, um den Abgang von Superstar Kylian Mbappé (26) zu Real Madrid abzufangen. Doch der Scheichklub biss bei den Italienern auf Granit, der Georgier musste am Vesuv bleiben. Zu wichtig war er für die Saisonziele unter dem neuen Trainer Antonio Conte.
Erst ein halbes Jahr später, im vergangenen Januar, kam der Wechsel doch zustande. Mit etwas Verspätung tritt der 24-jährige Edeltechniker das schwere Erbe von Mbappé an. 70 Millionen Euro plus üppige Boni ließ sich der französische Hauptstadtklub den Transfer kosten.
Der Neuzugang benötigte zu Beginn etwas Zeit, um sich im Star-Ensemble zurechtzufinden, das sich seit dem Weggang von Neymar, Lionel Messi und Mbappé zum ersten Mal als echte Einheit präsentiert und in Frankreich als die vielleicht beste PSG-Mannschaft nach der gilt, die unter Thomas Tuchel 2020 ins Champions League-Finale gegen den FC Bayern (0:1) eingezogen ist.
Topleistung gegen Liverpool
Vor allem die Offensive wirbelt derzeit jeden Gegner auseinander. Der neue Star des Teams ist Ousmane Dembélé (27), der in den vergangenen 16 Spielen 22 Tore erzielte. Zusammen mit den Youngsters Bradley Barcola (22) und Désiré Doué (19) streitet sich Kvaratskhelia um die anderen beiden Offensivpositionen im 4-3-3 von Trainer Luis Enrique.
Immer öfter entscheidet der ehemalige Neapel-Profi den Kampf für sich – und lässt dann auf dem Platz Taten sprechen. Im Hinspiel des Champions League-Achtelfinals gegen den FC Liverpool (0:1) pflückte er mit seinen Dribblings und schnellen Läufen die Abwehr der Reds beinahe nach Belieben auseinander.
Dabei tauchte Kvaratskhelia in dem fluiden System von PSG mal auf der linken und mal auf der rechten Seite auf und stellte sowohl Trent Alexander-Arnold (26) als auch Andy Robertson (31) vor große Probleme. Wenige Tage später sorgte er beim 4:1-Sieg gegen Stade Rennes für ein virales Meme, als er nach seiner Einwechslung in einem ballettartigen Sprung den Ball in schwindelerregender Höhe mit dem Fuß annahm, während seine Gegenspieler ungläubig zusahen.
Conte am Boden zerstört
Mittlerweile ist der Offensivspieler wieder in der Form angekommen, in der er Napoli in seiner Debütsaison 2022/23 mit zwölf Toren und 13 Vorlagen zur ersten italienischen Meisterschaft seit 1990 führte. Auch in den eineinhalb folgenden Jahren performte Kvaratskhelia sehr ordentlich, konnte aber sein Niveau wie auch der Rest des Teams nicht ganz halten. Im vergangenen Sommer sollte alles anders werden: Mit Conte verpflichtete die SSC einen neuen Coach mit Ambitionen.
Der fünffache Meistertrainer will mit Napoli erneut den Scudetto holen. Dabei sollte der Georgier das Herzstück des Plans werden. Conte stellte sogar sein ihm sonst heiliges 3-4-2-1-System auf ein 4-2-3-1 um, damit er seinen Superstar bestmöglich einsetzen konnte.
Die Geburt von Kvaradona
Der Coach war aufgrund des Abgangs seines Edeltechnikers am Boden zerstört: „Ich persönlich bin sehr enttäuscht, weil ich sechs Monate lang versucht habe, Kvaratskhelia das Gefühl zu geben, dass er im Mittelpunkt dessen steht, was wir hier tun, und ihm zu zeigen, dass wir etwas Großes erreichen können.“
Denn Neapel verlor nicht nur einen guten Spieler, sondern eine Symbolfigur. Während in der heutigen Zeit viele vielversprechende und technisch starke Talente schnell mit Lionel Messi verglichen werden und den Namen als Suffix erhalten – Xherdan Shaqiri ist der Alpen-Messi, Mario Götze der deutsche Messi – erhielt Kvaratskhelia am Vesuv einen noch viel gewichtigeren Ritterschlag.
Er wurde zu Kvaradona und damit zum legitimen Nachfolger von Diego Maradona, der größten Vereinslegende des Klubs, der noch heute in der Stadt über allem steht.
Begeisterte schon bei der EM
„Er hat diese Sensibilität beim Dribbeln, in der Art, wie er den Ball streichelt und die Gegner täuscht, das macht es so schwer, ihn zu verteidigen. Mo Salah ist einer der Spieler, der auch diese Qualität auf engem Raum und die Präzision seines Abschlusses hat. Die Fähigkeit, ruhig zu bleiben und den Druck nicht zu spüren. Kvaratskhelia ist ein ruhiger Junge, der definitiv eine große Zukunft vor sich hat“, sagte einst Luciano Spalletti über Kvaradona.
Diese Fähigkeiten bewies Kvaratskhelia bei der vergangenen Europameisterschaft in Deutschland, als er Georgien ins Achtelfinale führte und einer der besten Offensivspieler des Turniers war, und mittlerweile auch bei PSG. Trotz bisher nur 758 Einsatzminuten führt der Angreifer viele Offensivstatistiken des Klubs im Schnitt pro 90 Minuten an.
Neue Stadt, neuer Name?
Seit seinem Wechsel erarbeitete er sich die meisten erwarteten Torvorlagen, brachte die meisten Steilpässe an den Mann, bereitete die meisten Schüsse vor und zog die meisten Fouls. In zwölf Pflichtspieleinsätzen gelangen Kvaratskhelia bislang zwei Treffer und vier Vorlagen.
Und auch im Rückspiel am heutigen Dienstagabend (21 Uhr) gegen den FC Liverpool wird er wieder in der Startelf stehen. „Ich fühle mich hier großartig“, sagte der Flügelspieler am gestrigen Montag, „meine Eingewöhnung war gut, ich habe das Gefühl, dass ich mehr kann, deshalb arbeite ich hart daran, es allen zu zeigen.“
Und vielleicht erhält er bei PSG ja einen neuen Spitznamen. Denn er erinnert viele Fans des Klubs mit seiner feinen Technik und seinem aufregenden Spiel jetzt schon an einen Brasilianer, der seine große Europa-Karriere in der französischen Hauptstadt begann. Dann wird aus Kvaradona vielleicht Kvonaldinho.
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