Von Carney Chukwuemeka wird bei Borussia Dortmund eine Menge erwartet. Wirklich angekommen ist der 21-Jährige im Profifußball noch nicht. Was also erhofft sich der BVB von dem Engländer?

Potenzial. Das Wort, das am häufigsten auftaucht, wenn Aussagen von Experten, ehemaligen Trainern und Weggefährten über Carney Chukwuemeka getätigt werden. Der 21-Jährige hat sämtliche Anlagen, um ein echter Topstar zu werden. Das konnten die ersten vier Minuten nach seiner Einwechslung gegen Sporting Lissabon gestern Abend (3:0) freilich noch nicht untermauern. Die große Karriere wurde früh vorausgesagt, doch in den vergangenen Jahren stagnierte die Entwicklung.
Das lag an einer ganzen Reihe an unglücklichen Umständen für den zentralen Mittelfeldspieler. Eine Mischung aus Verletzungspech, falschen Entscheidungen und schlechtem Timing sorgten dafür, dass der ganz große Durchbruch noch ausblieb. Aber der Reihe nach.



Für keinen Gegner zu halten
In Österreich geboren zog der Engländer mit nigerianischen Wurzeln in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Northampton, wo er seine ersten fußballerischen Schritte ging und sein Talent nicht unentdeckt blieb. Bereits mit 13 lockte ihn Aston Villa, wo Chukwuemeka anschließend sämtliche Jugendteams durchlief und parallel auch regelmäßig für die U-Nationalmannschaften der Three Lions nominiert wurde.
Bereits als Teenager war der großgewachsene Mittelfeldspieler fußballerisch sehr weit, sein Profi-Debüt mit 16 wurde ihm nur durch Corona verwehrt, ehe er dann im Mai 2021 mit 17 für die Villans debütierte. „Als er aus dem Nachwuchs hervorging, erinnerte er an Paul Pogba: Ein großgewachsener Mittelfeldspieler, der das Zentrum schlichtweg dominiert hat. Mit seinem Dribbling, seiner Ballkontrolle und seiner Physis war er einfach für keinen seiner Gegner auf dem Niveau zu halten“, erklärt der englische Fachjournalist Sam Tighe gegenüber dem ‚Westfälischen Anzeiger‘.
Doch der Durchbruch in Birmingham blieb aus, da Gespräche über einen neuen Vertrag nur zäh voranschritten und Liverpool-Legende Steven Gerrard ihm wenig Beachtung schenkte. Im Sommer 2022 spielte Chukwuemeka an der Seite von einem seiner besten Freunde, Jamie Gittens, eine überragende U19-Europameisterschaft, sodass Thomas Tuchel und der FC Chelsea für 18 Millionen Euro zuschnappten.
Pech und schlechtes Timing verhindern den Durchbruch
Allen voran der deutsche Trainer hielt große Stücke auf den Neu-Dortmunder, musste bei den Londonern aber schon Anfang September gehen – da war Chukwuemeka gerade einmal einen Monat bei den Blues. „Er hat sich genau in dem Moment verletzt, als es schien, als stehe er vor dem Durchbruch in der Premier League. Als er dann wieder fit war, hatte Cole Palmer das Regiment in der Offensive übernommen. Ab da hatten es alle anderen offensiven Mittelfeldspieler schwer, sich an der Stamford Bridge durchzusetzen“, so Journalist Liam Twomey von ‚The Athletic‘.
In dieser Saison hatte der Achter mit Offensivdrang unter Enzo Maresca gar keine Chance mehr, er stand kein einziges Mal im Kader für die Premier League. Auf der Suche nach Spielzeit, um sein Talent endlich zur Entfaltung zu bringen, entschied er sich letztlich am Deadline Day für einen Wechsel zum BVB. Der richtige Schritt?
Auf den ersten Blick fraglich. Denn in Dortmund platzt der hoch veranlagte Engländer mitten hinein in das größte Chaos. Das Timing könnte – Chukwuemeka kennt das mittlerweile – besser sein. Der BVB befindet sich sportlich in der größten Krise seit Jahren, hat gerade erst Trainer Niko Kovac als neuen Chefcoach installiert und versucht, sich auf der Führungsebene neu aufzustellen. Zudem benötigt Chukwuemeka Zeit und genau die wird er bei einer halbjährigen Leihe nicht bekommen. Wieso also der Wechsel?
Druck auf das Zentrum und Brandt wächst
Abgesehen von der kleinen Blessur zum Auftakt steht der in Eisenstadt geborene Mittelfeldspieler voll im Saft und wäre sofort einsatzbereit. Beim BVB lechzen die Fans nach einem Spieler mit seinen Qualitäten, einem Achter mit Offensivdrang, der an der Seite eines defensiven Sechsers oder Achters glänzen und damit in der Abwesenheit von Felix Nmecha, Pascal Groß oder Marcel Sabitzer ersetzen kann. Aber auch noch eine Reihe weiter vorne könnte Chukwuemeka flexibel eingesetzt werden und den unantastbar scheinenden, aber nicht unumstrittenen Julian Brandt unter Druck setzen.
Funktionieren kann der Transfer, auch wenn die Kaufoption in Höhe von 35 Millionen Euro auf den ersten Blick utopisch scheint. In Gittens hat der Neuzugang bereits einen englischen Vertrauten vor Ort, um sich schnell einzuleben. Jude Bellingham und Jadon Sancho nutzten in jüngerer Vergangenheit den BVB als Sprungbrett in die Weltelite, Gittens wird zeitnah folgen. Sie alle hatten mehr Zeit als Chukwuemeka. Doch platzt bei ihm der Knoten schnell, könnte Dortmund auch für ihn die Tore zu den Topklubs öffnen.
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