Jonas Boldt verlängerte am heutigen Dienstag seinen Vertrag beim Hamburger SV bis 2023. Sollte er diesen erfüllen, wäre es die längste Amtszeit eines Sportvorstands bei den Hanseaten seit Dietmar Beiersdorfers erfolgreicher erster Periode von 2002 bis 2009. FT wirft einen Blick auf die bisherigen Entscheidungen des 38-Jährigen.

Am 24. Mai 2019 startete Boldt seinen neuen Job in der Hansestadt und stand direkt vor einem Mammut-Umbruch. Den sofortigen Wiederaufstieg hatte der einstige Bundesliga-Dino denkbar knapp mit nur einem Punkt Unterschied zu den Aufstiegsrängen verpasst. Dem großen Aufschrei um die misslungene Rückkehr begegnete Boldt mit Ruhe und konsequentem Handeln.
XXL-Neuaufbau 2019
Zunächst wurde Dieter Hecking als Cheftrainer installiert und mit einem Einjahresvertrag ausgestattet – eine Verlängerung wäre nur im Aufstiegsfall eingetreten. Statt der Hau-Ruck-Mentalität hatte der neue HSV-Sportchef einen ruhigeren, aber dennoch großangelegten Neuaufbau im Sinn. Gleich 13 neue Spieler wurden allein im Sommer verpflichtet, dazu kamen insgesamt 18 Abgänge. Am Ende erwirtschaftete der HSV ein Transferplus von rund zwölf Millionen Euro.
Die hochdotierten Vertäge von Pierre-Michel Lasogga (28) und Lewis Holtby (30) liefen aus. Auf feststehende Abschiede wie die Verkäufe von Fiete Arp (20) (drei Millionen Euro, FC Bayern) oder Filip Kostic (28), für den Eintracht Frankfurt eine Kaufoption über 6,5 Millionen Euro besaß, hatte Boldt keinen Einfluss. Ebenso mischte sich Ex-Vorstandschef Bernd Hoffmann kräftig in den zwölf Millionen Euro teuren Verkauf von Douglas Santos (26) zu Zenit St. Petersburg ein.
Viele Stammspieler, wenig Flops
Bei den Einkäufen hatte Boldt dagegen deutlich größeres Mitspracherecht. Mit den Verpflichtungen von David Kinsombi (24, drei Millionen), Tim Leibold (26, 1,8 Millionen), Daniel Heuer Fernandes (27, 1,3 Millionen), Lukas Hinterseer (29, ablösefrei), Sonny Kittel (27, ablösefrei), Jeremy Dudziak (25, ablösefrei) und Jan Gyamerah (25, ablösefrei) holte Boldt eine Menge Zweitligaerfahrung und Akteure an Bord, die sich während der ersten HSV-Spielzeit zu Leistungsträgern entwickelten.
Der dauerverletzte Ewerton (31, zwei Millionen, mittlerweile Würzburger Kickers), Arsenal-Talent Xavier Amaechi (19, 2,5 Millionen) und Berkay Özcan (22, 1,5 Millionen) können als klare Fehlgriffe verbucht werden. Zumindest schaffte es Boldt aber, Özcan mit einem Transferplus von einer Million Euro in diesem Sommer an Basaksehir zu veräußern.
Von den Leihspielern Adrian Fein (21), Martin Harnik (33), Louis Schaub (25), Jordan Beyer (20) und Joel Pohjanpalo (26) spielten zumindest Fein (vorrangig in der Hinrunde) und Pohjanpalo (während der Rückrunde) jeweils tragende Rollen. Die Umstellung des HSV, sich mittel- statt kurzfristig auf die zweite Liga einzustellen, gelang Boldt in rasantem Tempo.
Günstig-Sommer 2020
Nach dem erneut verpassten Bundesliga-Aufstieg und der tobenden Corona-Pandemie setzte der gebürtige Nürnberger mit Blick auf die dritte Spielzeit im deutschen Unterhaus den hanseatischen Sparkurs weiter fort. Die bereits erwähnten Özcan-Millionen waren die einzigen Überschüsse, die der 38-Jährige generieren konnte.
Von den Ladenhütern verließ Kyriakos Papadopoulos (28) nach seinem Vertragsende den Klub. Den hochdotierten Kontrakt von Bobby Wood (27) konnte auch Boldt, wie bereits seine Vorgänger, nicht aus den Büchern streichen. Julian Pollersbeck (26) ging nach schwierigen Jahren für 250.000 Euro zu Olympique Lyon, darüber hinaus verabschiedeten sich Jairo Samperio (27), Christoph Moritz (30) und Timo Letschert (27) nach dem Auslaufen der Verträge vom Klub.
Daniel Thioune wurde gegen eine Ablöse von 300.000 Euro vom VfL Osnabrück auf die HSV-Trainerbank gelotst und war damit der zweitteuerste Neuling des Sommers. Lediglich Innenverteidiger Moritz Heyer (25) war mit 600.000 Euro teurer. Amadou Onana (19), Klaus Gjasula (30), Simon Terodde (32), Toni Leistner (30) sowie Sven Ulreich (32) kamen ablösefrei an die Elbe. Die in ihren Leistungen inkonstanten Gjasula und Leistner sind derzeit zwar außen vor, doch mit Terodde, Onana, Heyer und Ulreich haben sich andere Zugänge als erfolgreiche neue Achse etabliert.
Fazit
Innerhalb von nur drei Transferperioden drehte Boldt den einstigen Bundesliga-Dino komplett auf links. Den Gesamtausgaben von rund 13 Millionen Euro steht mit 26 Millionen Euro das Doppelte an Transfereinnahmen gegenüber. Dem vor rund zwei Jahren jüngsten Mannschaftskader im deutschen Profifußball wurde nach und nach Zweitliga-Erfahrung an die Seite gestellt sowie durch weitere hoffnungsvolle Talente ergänzt.
Obwohl in Boldts erstem Jahr in Hamburg der Wiederaufstieg verpasst wurde, zeigt der historisch gute Saisonstart der aktuellen Spielzeit mit fünf Siegen und einem Remis, dass in den vergangenen zwei Jahren deutlich mehr richtig als falsch gemacht wurde. Aus den finanziell überschaubaren Möglichkeiten hat der Sportvorstand einen wettbewerbsfähigen und zukunftsträchtigen Mannschaftskader geformt.
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