HSV? Nein, danke – der Dino im Korsett seines eigenen Selbstverständnisses

von Lukas Heimbach
3 min.
Mit Bescheidenheit zurück zum Erfolg: Bruno Labbadia und Dietmar Beiersdorfer @Maxppp

Nach zwei katastrophalen Spielzeiten will sich der Hamburger SV sportlich rehabilitieren. Dabei weht an der Elbe eine neue Bescheidenheit. Dennoch steckt der Dino weiterhin fest im Korsett früherer Naivität. Das erschwert insbesondere Transfers.

Zum zweiten Mal in Folge entrann der Hamburger SV dem ersten Bundesligaabstieg in der Vereinshistorie. Zum zweiten Mal haarscharf in der Relegation. Durch Misswirtschaft und Misserfolg hat sich der Bundesliga-‚Dino‘ in den vergangenen Jahren – abgesehen von seinen treuen Fans – viele Sympathien in Fußballdeutschland verspielt. Allgemein gilt: Man gönnt den Hanseaten den Abstieg.

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Neue Bescheidenheit an der Elbe

Und auch sportlich haben die Hamburger einiges vom Glanz vergangener Tage verloren. Der Klub mit der Raute besitzt nur noch wenig Strahl- und Lockkraft. Das müssen sich auch die Verantwortlichen um Bruno Labbadia, Peter Knäbel und Dietmar Beiersdorfer zunehmend eingestehen. Zu lange wurde weit über den Verhältnissen gewirtschaftet. Die stolzen Nordlichter können längst nicht mehr so, wie es ihnen ihr Selbstverständnis suggeriert.

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Die Transferziele in diesem Sommer zeigen, dass ein Umdenken in den Köpfen der Verantwortlichen stattfindet. Statt bei hochdekorierten Nationalspielern, die Unsummen an Gehalt fordern, schaut man sich etwa in Liga zwei um. „In der aktuellen Situation müssen wir – anders als vielleicht in der Vergangenheit – auf jeden Cent gucken“, gibt Knäbel im ‚Hamburger Abendblatt‘ die neue Bescheidenheit an der Elbe vor.

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HSV hat seinen Reiz verloren

Aber selbst in der 2. Bundesliga fragt man nicht mehr einfach an und tütet den Transfer anschließend wie selbstverständlich ein. Das muss der HSV aktuell insbesondere bei Michael Gregoritsch vom VfL Bochum und Emil Berggreen von Eintracht Braunschweig feststellen. Die Verhandlungen muten fast schon so an, als würden sich die Zweitligisten über den ‚Dino‘ lustig machen. Beide sollen zunächst für zwei Millionen Euro zu haben gewesen sein. Die Hamburger versuchten, die Summe auf etwa 1,6 bis 1,8 Millionen zu drücken, ehe Bochum und Braunschweig jeweils drei Millionen für ihre Leistungsträger aufriefen.

Wie ein naives Kind wirken die Verantwortlichen beim sechsfachen Deutschen Meister zudem, wenn sie weiter von der Gregoritsch-Verpflichtung sprechen, nachdem der VfL die Verhandlungen kurz zuvor abbrach. Einen weiteren Rückschlag musste man außerdem bei Leonardo Bittencourt hinnehmen. Auch Hamburg hätte den Youngster gerne von Hannover 96 verpflichtet. Der Deutsch-Brasilianer gab dem HSV jedoch einen Korb und entschied sich für den 1. FC Köln. Unter anderem, weil er dem Rauten-Klub angeblich zu teuer war.

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So wird der HSV dieser Tage nicht mehr als Sprungbrett oder Direkteinstieg in eine große Karriere gesehen. Vielmehr versuchen offenbar mehr und mehr Spieler, den Hanseaten freundlich aus dem Weg zu gehen. Top-Talente wie Hakan Calhanoglu und Jonathan Tah, um die herum eigentlich der ‚Neue HSV‘ entstehen sollte, können nicht gehalten werden, spülen aber immerhin essenziell benötigtes Geld in die klammen Kassen. Auch die Abgänge von vielversprechenden Youngsters wie Lasse Sobiech (FC St. Pauli) oder Eigengewächs Maximilian Beister (FSV Mainz 05) haben Fragezeichen über der Alster aufgeworfen.

Spagat zwischen Anspruch und sportlicher Wirklichkeit

Stattdessen kam etwa Gotoku Sakai vom VfB Stuttgart. Der Japaner konnte bislang zu keinem Zeitpunkt gehobene Bundesligatauglichkeit nachweisen. Das konnte Emir Spahic zwar schon, doch der Bosnier gilt spätestens seit seiner Suspendierung bei Bayer Leverkusen als schwieriger Charakter. Fraglich ist, ob er im aufbrausenden Umfeld in Hamburg funktioniert. Große Erwartungen werden in den Königstransfer Albin Ekdal gesteckt. Der Schwede, der für 4,5 Millionen von Cagliari Calcio kommt, dürfte bis zu seinem Wechsel nur Experten ein Begriff gewesen sein.

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Dass man fest entschlossen ist, den Umbruch zu wagen, beweist etwa die Personalie Heiko Westermann. Der Ex-Nationalspieler ist Kult- und Identifikationsfigur in Hamburg. Sein Vertrag wurde dennoch nicht verlängert, weil ‚HW4‘ sportlich und finanziell nicht mehr mit den Zukunftsplänen zu vereinbaren war.

Insgesamt aber ist der Traditionsklub aus dem Norden weiterhin vom Korsett der Fehler vergangener Tage stark eingeschnürt. Sich vom einstigen Selbstverständnis als Liga-Institution loszumachen, ist ein schleichender Prozess, der den HSV zu hemmen scheint. Es bleibt daher abzuwarten, wie man den Spagat zwischen Anspruch und sportlicher Wirklichkeit in Zukunft meistert.

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