Hopp poltert gegen Scheich-Klubs: Nachhaltiges Projekt oder Lippenbekenntnis?

von Lukas Heimbach
3 min.
Zukunft, Patron, Vergangenheit: Niklas Süle, Dietmar Hopp und Tim Wiese @Maxppp

Die TSG Hoffenheim spielt in ihrem siebten Jahr in der Bundesliga. Vielen Traditionsfans weiter ein unsäglicher Dorn im Auge ist das Projekt auf Nachhaltigkeit ausgelegt – und das seit knapp 20 Jahren. Im Juli übernimmt Dietmar Hopp den Verein schließlich komplett. Als Werksklub sieht der 74-Jährige die Kraichgauer dennoch nicht und weist derartige Vorwürfe entschieden zurück. Vielmehr seien ihm solche Vereine suspekt. Aber kann man dem Mäzen derartige Vorwürfe überhaupt abkaufen oder handelt es sich vielmehr um ein Lippenbekenntnis?

Eine vermeintlich falsche Schiedsrichterentscheidung bewog Dietmar Hopp, Mitbegründer des Software-Riesen SAP, 1989 dazu, als Investor bei der TSG Hoffenheim einzusteigen. Aufgrund eines in der Schlussphase gegebenen Elfmeters verlor die TSG Hoffenheim 2:3 und stieg ab in die Kreisliga A. An diesem Tag entschied sich der 74-Jährige, seinem Herzensverein zu helfen, für den er selbst einst kickte.

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Viel ist seitdem passiert rund um das beschauliche 3.000-Seelen-Dorf. Innerhalb von 18 Jahren ging es hoch aus der achten in die erste Liga. Von Traditionalisten und Fußball-Romantikern verhasst, war es vor allem Hopps Absicht, seiner Heimat, der ganzen Rhein-Neckar-Region, Profifußball zu zeigen. Dennoch lässt sich der Bezug zu einem Retorten- oder Werksklub nicht vermeiden. Denn wer in der zweiten Liga Spieler wie Carlos Eduardo (7 Millionen Euro), Chinedu Obasi (5 Millionen) oder Demba Ba (3 Millionen) einkauft, mit Geld scheinbar nur so um sich wirft und Tradition dem Anschein nach mit Füßen tritt, der muss mit solchen Vorwürfen leben – zumindest vorerst. Auch die Verpflichtungen von Tim Wiese, Eren Derdiyok oder Josip Simunic sollten letztlich einem größeren Plan dienen, waren für das Image aber alles andere als förderlich.

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Schneller Erfolg für nachhaltiges Projekt

Für Hopp und die Verantwortlichen aus dem Kraichgau waren diese Maßnahmen aber ein essenzieller Schritt, um schnellstmöglich ihr langfristiges Ziel zu erreichen: Nachhaltig einen Verein aufzubauen, der in der Bundesliga mithalten kann, vielleicht sogar in Europa, sowie eine hocheffiziente Nachwuchsförderung zu etablieren. Hopp benötigte schnell Erfolg, um Top-Talente im Jugendbereich nach Hoffenheim respektive Sinsheim lotsen zu können und so etwas Großes entstehen zu lassen.

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Die unverhältnismäßigen Spielerkäufe sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Man setzt auf die eigene Jugend, entwicklungsfähige Spieler. Mit Erfolg. Mittlerweile besitzt die TSG eine der besten Jugendabteilungen im deutschen Fußball. Vergangenes Jahr wurde die A-Jugend Deutscher Meister. Philipp Ochs, Joshua Mees oder Benedikt Gimber heißen die Stars von morgen – ausgebildet in der Jugendakademie von 1899.

„Wir sind kein Werksklub wie Wolfsburg“

Lange Zeit war Hoffenheim auf vermeintlich bestem Wege, sich in die Riege der Werksklubs einzureihen und Werbeschild für einen milliardenschweren Konzern zu sein. So schien es zumindest. Allerdings ist die TSG das nicht. Marketingaspekte waren für Hopp nie ein Thema. Im Fokus stand immer der Sport. „Hinter dem VfL Wolfsburg steht einer der größten Konzerne der Welt, der den Verein als Werbeplattform sieht. Wir sind kein Werksklub wie Wolfsburg und wollen auch nicht so genannt werden“, unterstreicht Hopp gegenüber der ‚Welt‘.

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Der Mäzen ist alles andere als begeistert von den Vorwürfen, die Kraichgauer seien ebenfalls ein Werksverein und tadelt grundsätzlich die Besitzverhältnisse in anderen Ligen. „Sorgen machen mir die Klubs, bei denen ein Scheich die Schatulle aufmacht und es keinen realen Gegenwert zum Investment gibt. Dort kann nur noch eines helfen: Das Financial Fairplay, das die UEFA durchsetzen will“, mahnt der SAP-Inhaber.

Lippenbekenntnis oder nachhaltig positive Nachwuchsförderung?

Die 50+1-Regelung in der Bundesliga befürwortet der Klubpatron. „Mir ist diese Regel nicht unsympathisch. Sie hat dafür gesorgt, dass in der Bundesliga keine Verhältnisse wie in England, Spanien, Italien oder Frankreich herrschen, wo Klubbesitzer frei schalten und walten können“, so Hopp. Allerdings könnte man dem 74-Jährigen vorhalten, er habe gut reden, schließlich kann er die Regelung ab Juli galant und rechtmäßig umschiffen. Für ihn greift eine Sonderbestimmung. 96 Prozent der Vereinsanteile übernimmt er dann und erhält gleichzeitig die Stimmmehrheit. Damit wird Hopp quasi zum Kraichgauer Monarchen. Möglich ist dies aufgrund einer Ausnahmeregelung. Demnach ist es Privatpersonen, die seit mindestens 20 Jahren im Verein tätig sind, erlaubt, sich diesen Verein ganzheitlich anzueignen.

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Hopp kündigte bereits an, zukünftig noch genauer die Lupe auf Personalentscheidungen legen zu wollen. So moniert er etwa, dass Davie Selke (Werder Bremen) und Jonas Hofmann (Borussia Dortmund) in der Vergangenheit ohne sein Wissen abgegeben wurden. Dies wiederum klingt ein wenig widersprüchlich und fast despotisch. Deshalb bleibt letztlich doch die Frage, ob Hopps Aussagen nur ein machtbesessenes Lippenbekenntnis sind oder das Projekt TSG Hoffenheim den deutschen Fußball insbesondere in puncto Nachwuchsförderung tatsächlich nachhaltig positiv beeinflusst – respektive beeinflussen wird.

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