Wenger out: Die richtige Tür

von Lukas Hörster
5 min.
Ungeschlagener Meister 2004: Arsène Wenger mit Patrick Vieira @Maxppp

Der dienstälteste Trainer Europas tritt zurück. Arsène Wenger und der FC Arsenal gehen ab Sommer getrennte Wege. FT blickt zurück auf 22 bewegte Jahre und präsentiert die Stimmen zur Meldung des Tages.

Deutschland war gerade zum dritten Mal Europameister geworden, Helmut Kohl amtierte als Bundeskanzler und der heutige Linksaußen Alex Iwobi war gerade einmal fünf Monate alt, als Arsène Wenger das Traineramt beim FC Arsenal übernahm. Am 1. Oktober 1996 präsentierten die Gunners ihren neuen Übungsleiter, der sich zu der Entscheidung förmlich durchringen musste. Die folgende Ära auf der Arsenal-Bank stand auf Messers Schneide.

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Der Grund: Wenger arbeitete seinerzeit in Japan bei Nagoya Grampus – und fühlte sich pudelwohl. Rückblickend sagte der Elsässer einmal: „Es war ein gefährlicher Punkt in meinem Leben. Ich dachte, wenn ich jetzt nicht nach Europa zurückkehre, würde ich für immer in Japan bleiben. Ich war dabei zu vergessen, was ich am europäischen Fußball vermisste.“ Die Tür drohte zuzufallen. Doch der damals 47-Jährige schritt im letzten Moment hindurch. Und schuf sein Lebenswerk.

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Heute, genau 7871 Tage und 1192 Spiele später, hat Wenger angekündigt, die Tür erneut zu durchschreiten. Doch diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Der mit großem Abstand dienstälteste Trainer Europas hört am Saisonende bei den Gunners auf. „Der richtige Zeitpunkt“ sei gekommen, so Wenger. Und wahrscheinlich tut er sich in der Tat einen Gefallen.

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Seamans Appell

Die sportlichen Ergebnisse der vergangenen Jahre lassen zu wünschen übrig. Platz fünf in der vergangenen Saison, derzeit auf Position sechs der Premier League rangierend. Die Forderung „Wenger Out“ wurde nicht nur auf der Insel zum geflügelten Begriff. Doch David Seaman, jahrelanger Schlussmann unter Wenger, hat völlig Recht wenn er dazu auffordert, Wenger „heute einmal den Respekt den er verdient“, entgegenzubringen.

Nach vier enttäuschenden Jahren übernahm Wenger 1996 ein sich im Dauerumbruch befindendes Arsenal und führte den Klub anschließend sage und schreibe 20 Mal in Folge in die prestigeträchtigen Top Four. In seinem zweiten, siebten und neunten Jahr gewann Wenger die Meisterschaft. Insbesondere der Titel 2004 bleibt für ewig in Erinnerung. Damals blieben die Rot-Weißen eine gesamte Saison lang ungeschlagen. Wenger schuf die Invincibles. Eine wunderschön kombinierende Ergebnismaschine um Sol Campbell, Patrick Vieira, Robert Pires, Dennis Bergkamp und Thierry Henry.

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Zudem baute Arsenal mit dem Emirates Stadium während Wengers Amtszeit einen neuen Fußballtempel, der das altehrwürdige, aber heruntergekommene Highbury ablöste – und den Aufbruch in die Zukunft symbolisieren sollte. Darüber hinaus sind die Gunners dank ihres Trainers mittlerweile Rekordsieger im FA Cup. So sorgte der Wenger für sieben der insgesamt 13 Titel in diesem Wettbewerb.

Versöhnlicher Abschied?

Einzig die Krönung in der Champions League blieb Wenger verwehrt. 2006 scheiterte man nach beeindruckender Zu-Null-Serie in den K.O.-Spielen im Finale am FC Barcelona. Entscheidend war dafür auch die frühe Rote Karte für den damaligen Torwart und heutigen Co-Trainer Jens Lehmann. Nur einer von zahlreichen Weltklasse-Spielern, die der Franzose verpflichtete, trainierte und formte.

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Seinen ersten internationalen Titel könnte Wenger aber tatsächlich noch zu seinem Abschied gewinnen. In der Europa League steht Arsenal im Halbfinale gegen Atlético Madrid. Es wäre das versöhnliche Finale einer am Ende nicht mehr störungsfreien Beziehung zwischen Wenger und den Fans, deren Rufe nach Wandel nun bald Gehör finden werden. Wenger scheint eingesehen zu haben, dass er nicht größer ist als der FC Arsenal. Fakt ist aber auch, dass der FC Arsenal ohne Wenger beileibe nicht so groß wäre. Im Sommer geht eine Legende, die beinahe die richtige Tür verpasst hätte.

Die Stimmen

Jupp Heynckes: „Er hat eine großartige Trainerlaufbahn hingelegt, mit großen Erfolgen und attraktivem Fußball. Vielleicht übernimmt er jetzt eine Manager-Funktion. Ob er nochmal bei einem anderen Verein Trainer werden wird, weiß ich nicht. Er hat den englischen Fußball sehr positiv beeinflusst. Aber irgendwann muss man auch sagen: Es war genug.“

Jürgen Klopp: „Ich bin überrascht. Es ist seine Entscheidung. Ich respektiere das. Er hat einen großen Einfluss auf den Fußball und blickt auf eine fantastische Karriere zurück. Er ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Ich wünsche ihm das Beste.“

José Mourinho: „Wenn er glücklich ist, bin ich glücklich, wenn er traurig ist, bin ich traurig. Ich wünsche meinen Kollegen immer das Beste. Wenn er mit der Entscheidung glücklich ist und sich auf seinen neuen Lebensabschnitt freut, dann freue ich mich mit ihm.“

Sir Alex Ferguson: „Ich habe großen Respekt vor ihm und seiner Arbeit bei Arsenal. In einer Zeit, in der Fußballtrainer manchmal nur ein oder zwei Saisons bei ihren Klubs bleiben, ist es eine echte Errungenschaft, eine solche lange Zeit bei einem Verein wie Arsenal zu arbeiten.“

David Seaman: „Ein trauriger Tag für Arsenal. Können wir ihm nun den Respekt zukommen lassen, den er verdient?“

Gary Lineker: „Er hat dem Klub zum Fortschritt verholfen und viel für den Fußball in unserem Land getan. Danke und alles Gute, Monsieur Wenger.“

Tony Adams: „Der großartigste aller Arsenal-Manager. Danke für alles, Arsène.“

Cesc Fàbregas: „Wow. Das hätte ich niemals gedacht. Aber es zeigt die große Klasse dieses Mannes. Ich werde nie sein Vertrauen und seine Unterstützung vergessen. Er vertraute mir vom ersten Tag an und ich verdanke ihm eine Menge. Er ist eine Vaterfigur für mich. Arsène, du verdienst allen Respekt und alles Glück auf dieser Welt.“

Lukas Podolski: „Arsène Wenger hat die Gunners geprägt und sie zu einer Top-Adresse gemacht. Er hat viele exzellente Spieler geholt und dem Klub eine Spielphilosophie verpasst. Wenger war Arsenal. Das neue Stadion und das grandiose Trainingsgelände sind auch ihm zu verdanken. Und vieles mehr.“

Per Mertesacker: „Das ist natürlich sehr emotional. Er war mein großer Unterstützer. Dass ich hier bin, hat in erster Linie mit ihm zu tun. Es ist im Moment ein trauriges Gefühl.“

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