Deutschland - Portugal: Löws riskanter Taktikplan

von Remo Schatz
4 min.
Ganz Deutschland hofft auf Mesut Özil in Bestform @Maxppp

Das Bier ist kaltgestellt, der Grill ist angeheizt und das Trikot spätestens seit dem Aufstehen übergestreift. Ab 18 Uhr rollt in Salvador da Bahia endlich der Ball für die Deutsche Nationalmannschaft. Seit Monaten fiebert eine ganze Nation dem heutigen Montag entgegen. FussballTransfers begründet, warum Deutschland heute mit einem Sieg in die WM startet.

Das Gute vorweg. Die nackten Zahlen lassen keinen Zweifel zu: Deutschland wird gegen Portugal gewinnen. Von 17 Länderspielen gegen die Iberer gewann die DFB-Elf neunmal und musste sich nur in drei Partien geschlagen gegeben. In den vergangenen 14 Jahren kam es bei Welt- oder Europameisterschaften zu drei Duellen, die stets die Deutschen gewannen. Die letzte Niederlage musste Deutschland 2000 bei der EM in Belgien und den Niederlanden hinnehmen (0:3) – aus deutscher Sicht ist man geneigt zu sagen, eine andere, frühere Zeitrechnung.

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Vorbereitung voller Pannen

Zurück in die Gegenwart. Selten hatte eine Deutsche Nationalmannschaft so eine problematische Vorbereitung zu bewältigen. Neben dem langzeitverletzten Ilkay Gündogan, bei dem schon vorzeitig klar war, dass er die WM-Endrunde verpassen wird, gingen Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Miroslav Klose und Sami Khedira mit Verletzungsproblemen in die Turniervorbereitung. Lars Bender musste noch in Südtirol die Koffer packen. Der negative Paukenschlag war aber die Verletzung von Marco Reus, der in der Form seines Lebens war und sich im letzten Testspiel gegen Armenien (6:1) am Knöchel verletzte und für das Turnier ausfällt.

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Dennoch betonte Bundestrainer Jogi Löw in der vergangenen Woche fast gebetsmühlenartig, dass alles nach Plan verläuft. Die Stimmung im Team sei erstklassig, man sei überzeugt, dass die Mannschaft auf den Punkt perfekt eingestellt sein wird und alle Spieler zum ersten Spiel in Topform sind. „Wir starten gut vorbereitet in das Turnier. Alle Spieler haben die letzten Einheiten in ganzem Umfang absolviert", gab Löw kurz vor dem Abschlusstraining auf einer Pressekonferenz bekannt – was soll er auch anderes sagen? Die Einschätzung der vergangenen Tage im Campo Bahia gibt dem Bundestrainer aber Recht. Die Sorgenkinder haben ihre Wehwehchen überwunden und melden sich dienstbereit für das Auftaktspiel.

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Die Defensive ist in Bestbesetzung

Deutschland kann somit im Tor auf Manuel Neuer, den besten Keeper der Welt, zurückgreifen. Die Schulterverletzung aus dem DFB-Pokalfinale ist auskuriert und die Nummer eins trainiert seit Tagen wieder unter voller Belastung. Davor ist die Innenverteidigung der Mannschaftsteil, der dem Bundestrainer keine schlaflosen Nächte bescherte. Mats Hummels und Per Mertesacker spielten bei ihren Klubs eine starke Saison und sind gesetzt. Gut möglich, dass auf den Außenverteidiger-Positionen ebenfalls etatmäßige zentrale Abwehrspieler zum Einsatz kommen. Benedikt Höwedes auf links und Jérôme Boateng auf rechts sollen vor allem Superstar Cristiano Ronaldo sowie auf der anderen Seite Nani Zweikampfhärte entgegensetzen. Dass Löw auf den jungen Eric Durm als Linksverteidiger vertraut, ist eher unwahrscheinlich.

Lahm macht die Mitte dicht

Davor wird Deutschland aller Voraussicht nach mit einer ungewohnten Formation agieren. Die Trainingseindrücke der vergangenen Tage lassen vermuten, dass Philipp Lahm, Sami Khedira und Toni Kroos im zentralen Mittelfeld starten werden. Ähnlich wie bei Frankreich Yohan Cabaye wird Kapitän Lahm als klassischer Sechser agieren. Davor sollen Kroos und Khedira rochieren und das Spiel aufbauen.

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Auf dem linken Flügel vertraut Löw seinem Lieblingsschüler Lukas Podolski. Der Linksfuß vom FC Arsenal hat in den vergangenen Testspielen absolut überzeugt. Beeindruckend waren vor allem der Einsatzwille und die Aggressivität, die der Ur-Kölner gegen Kamerun und Armenien ins Spiel brachte. Gegen traditionell giftige Portugiesen wird es darauf angekommen, ob Deutschland den Kampf annimmt. Podolski ist dafür der genau richtige Mann. Genau wie Thomas Müller auf rechts, der ebenfalls keinem Zweikampf aus dem Weg geht und mit seinen Raumdeuter-Qualitäten für die überraschenden Momente sorgen soll.

Özil die Last von den Schultern nehmen

Die ‚Falsche Neun‘ wird Mesut Özil mimen. Der geniale Spielmacher war, obwohl er komplett gesund in die Vorbereitung ging, das Sorgenkind einer ganzen Fußballnation. Die Formkurve wollte in den vergangenen Wochen einfach nicht nach oben zeigen. Mit der gewählten Aufstellung will Löw dem 25-Jährigen wohl ein Stück weit die Last von den schmalen Schultern nehmen. In der Offensive liegt nicht mehr die gesamte Verantwortunng bei Özil. Der gebürtige Gelsenkirchener kann sich so (hoffentlich) in einen WM-Rausch spielen.

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Vertrauen in Turnier-Tugenden

Der Begriff ist ausgelutscht und wird bei jedem Turnier aus der rhetorischen Kiste geholt. Aber Deutschland ist und bleibt eine Turniermannschaft. Für den weiteren Verlauf ist entscheidend, dass Deutschland aller Widrigkeiten zum Trotz heute mit einem Erfolgserlebnis startet. Von einer pessimistischen Warte aus betrachtet, ist die gewählte Aufstellung ein Risiko. Die DFB-Elf hat noch nie in einem 4-3-3 gespielt und ist dementsprechend auf Wettkampf-Niveau kaum eingespielt.

Mit der Deutschland-Brille vor den Augen wird aber schnell klar, dass sich die taktische Ausrichtung als Geniestreich von Löw erweisen wird. Der leidenschaftliche ‚Poldi‘ ist der richtige Mann gegen die garstigen Portugiesen, Lahm wird das Offensiv-Zentrum der Portugiesen dicht machen und Özil mit weniger Last auf den Schultern als ‚Falsche Neun‘ langsam in das Turnier und zu alter Stärke finden.

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