Gündogan-Verlängerung: Fluch oder Segen für den BVB?

von Remo Schatz
5 min.
Ilkay Gündogan hat bis 2017 verlängert @Maxppp

Auf der BVB-Geschäftsstelle an der Dortmunder Strobelallee gab es am gestrigen Mittwoch gleich zweifach Grund, das Brinkhoff’s Premium Pils aus dem Eisfach zu holen. Am ersten Verkaufstag des neuen Heimtrikots gingen sage und schreibe 7.500 schwarz-gelbe Leibchen über die Ladentheken – und das trotz des im Vorfeld kritisierten Verkaufspreis von stolzen 80 Euro. Die Vertragsverlängerung von Ilkay Gündogan ging wegen des Kaufrauschs der Dortmunder Fans fast unter. Eine Entscheidung, die keine ungetrübten Jubelstürme auslösen wird – und einige Fragen aufwirft.

Aus dem Statement „Ilkay Gündogan wird im Sommer Borussia Dortmund verlassen, das steht außer Frage“ wurde am gestrigen Mittwoch: „Wir freuen uns, dass Ilkay weiterhin für Borussia Dortmund auflaufen wird.“ Zwischen beiden Aussagen – die erste von BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, die zweite von Manager Michael Zorc – liegen fast auf den Tag genau fünf Wochen. Pünktlich zum Start des Transfermarkts hat der BVB sein Tafelsilber aus der Auslage entfernt und den Vertrag von Ilkay Gündogan verlängert. Was auf den ersten Blick für Freude sorgen sollte, könnte sich bei näherem Hinsehen als Nachteil für den achtfachen Deutschen Meister entwickeln.

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Nachdem die Deals mit dem FC Barcelona und dem FC Bayern geplatzt waren, tauchten vor zwei Wochen erste Anzeichen auf, dass der Mittelfeldmotor nun doch bei der Borussia verlängern könnte. „Wir sind da ergebnisoffen“, räumte Zorc ein. Ob der gebürtige Gelsenkirchener in den vergangenen Wochen seinen Kredit auf der Südtribüne verspielt hat, ist wohl eher eine Frage aus Sicht des Fußballromantikers. Das Beispiel ‚Koan Neuer‘ hat bewiesen, wie schnell Fans vergessen können, sobald die Leistung stimmt. Spätestens wenn Gündogan in der kommenden Saison mit einem millimetergenauen Traum-Diagonalpass sein erstes Tor vorbereitet, sind die Fan-Vorbehalte vergessen. Für die langfristige Kaderplanung des BVB könnte das Umdenken des Mittelfeld-Strategen aber zum Problem werden.

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Gündogan-Verbleib verhinderte Geis-Transfer

Noch vor der offiziellen Übernahme in Dortmund wurde Thomas Tuchel mit der Situation konfrontiert, durch den sicheren Weggang von Gündogan einen der Stars ersetzen zu müssen. Lange musste sich der frühere Trainer des FSV Mainz 05 nicht nach Ersatz umsehen. Mit Johannes Geis, den der Cheftrainer vor zwei Jahren von der SpVgg Greuther Fürth an den Bruchweg lotste, war der designierte Gündogan-Nachfolger schnell gefunden.

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Geis wird nun in der kommenden Saison für den Erzrivalen Schalke 04 auflaufen. Ein Wechsel, der durch Gündogans Entscheidung begünstigt wurde. Hätte der Stratege beim FC Barcelona oder dem FC Bayern unterschrieben, hätte der BVB den Transferpoker um Geis nicht so leicht aufgegeben. Durch den Verbleib des elffachen Nationalspielers bei der Borussia war ein Transfer des Mainzer Mittelfeldstrategen aber sowohl finanziell als auch personell obsolet.

Ich bin überzeugt davon, dass er seinen Teil dazu beitragen wird, dass der BVB seine sportlichen Ziele erreichen wird“, freute sich Zorc am gestrigen Mittwoch über Gündogans Zusage zu einem neuen Vertrag bis 2017. „Ich bin froh, dass wir nun endlich Klarheit haben und ich weiter für Borussia Dortmund Fußball spielen darf. Ich richte den Fokus ab sofort komplett auf die Vorbereitung, im August wollen wir schließlich wieder voll angreifen“, fügte der Mittelfeldspieler an.

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Gündogan-Abschied nur aufgeschoben

Es steht außer Frage, dass Gündogan auf dem Platz für die Borussia Bestleistungen bringen will. Neben den mannschaftlichen verfolgt der 24-Jährige aber auch persönliche Ziele. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Eigengewächs des VfL Bochum vom blau-roten Trikot des FC Barcelona träumt. Bedingt durch die mehr als einjährige Verletzungspause, die daran anschließende schwache Saison und durch die Transferprobleme der ‚Blaugrana‘ aufgrund der FIFA-Sperre kam ein Wechsel nach Katalonien nicht zustande. Der Nationalspieler hat nun ein weiteres Jahr Zeit, ‚Barça‘ zu beweisen, dass er an seine früheren Weltklasse-Leistungen anknüpfen kann und dann mit einem Jahr Verspätung würdig ist, dass Xavi-Erbe anzutreten.

An der Dortmunder Strobelallee wird man sich keine Illusionen machen. Zorc, Watzke und auch Tuchel sind Profi genug, um zu wissen, dass der Abschied von Gündogan lediglich um eine Spielzeit verschoben wurde. Genau in einem Jahr muss sich der BVB nach einem Ersatz umsehen. Nur was wird der Transfermarkt dann hergeben?

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Findet der BVB wieder einen Geis?

Geis war der perfekte Kandidat. 21 Jahre alt, hochtalentiert aber bereits mit der Erfahrung von 75 Bundesligaspielen. Bis 2019 steht der gebürtige Schweinfurter nun beim Erzrivalen rund 30 Kilometer westlich unter Vertrag. Damit steht fest, dass der elffache U21-Nationalspieler im kommenden Jahr nicht das Gündogan-Erbe antreten wird. Durch die Vertragsverlängerung des Nationalspielers ist dem BVB somit der designierte Nachfolger durch die Lappen gegangen.

Ein Blick auf die andere Seite der Medaille offenbart eine wesentlich positivere Sichtweise. Zum einen muss man Bedenken, dass Dortmund bei der Personalie Gündogan kaum Handlungsspielraum hatte. Der Worst Case wäre gewesen, dass der 24-Jährige auf Stur schaltet, seinen Vertrag aussitzt und im kommenden Sommer ablösefrei wechselt. Dass sich der Mittelfeldlenker dazu hinreißen lässt, war jedoch nicht zu erwarten. Gündogan weiß, was er seinem Arbeitgeber, der den Vertrag während der langen Verletzungsphase anstandslos verlängerte, zu verdanken hat. Nun kann sich der BVB im kommenden Jahr auf die kolportierten 20 Millionen Euro plus X freuen.

Weigl könnte der neue Gündogan werden

Außerdem sind die Bedenken, ob der Transfermarkt im kommenden Jahr einen adäquaten Ersatz ausspuckt, zu kurz gedacht. Wer hätte schon erwartet, dass sich Geis in der abgelaufenen Saison so herausragend entwickelt, dass er überhaupt als Gündogan-Nachfolger infrage kommt? Warum soll denn nicht in der kommenden Saison ein neuer Spieler aus der zweiten Reihe den Schritt nach vorne machen und sich in den Fokus der Topvereine spielen? Potenzial gibt es in der Bundesliga mehr als genug. Ganz zu schweigen von den Spielern in den eigenen Reihen. Mit Julian Weigl hat der BVB einen hoffnungsvolles Talent verpflichtet, dem bei perfekter Entwicklung alles zuzutrauen ist.

Gündogans Vertragsverlängerung ist also zunächst ein Segen für den BVB. Viele hätten in der kommenden Saison sehr gerne Geis im schwarz-gelben Trikot gesehen. Ob der Youngster in der kommenden Saison die starken Leistungen bestätigen kann, bleibt aber erst einmal abzuwarten. Gündogan hingegen braucht keine Eingewöhnungsphase, muss jedoch endlich seine Qualitäten aus Zeiten vor der Verletzung wiederfinden. In einem Jahr wird man sehen, was passiert. Grund zur Panikmache gibt es aber sicher nicht.

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