Problemzone Innenverteidigung: Muss der BVB reagieren?

von Lukas Stellmach
4 min.
Der Ausfall von Sokratis wiegt schwer @Maxppp

Borussia Dortmund war in diesem Sommer durch die Abgänge von Henrikh Mkhitaryan, Ilkay Gündogan und Mats Hummels zum Umbruch im Kader gezwungen. In der Offensive hat Sportdirektor Michael Zorc mit seiner ihm unterstellten Scoutingabteilung ganze Arbeit geleistet. Bisher begeistert der BVB-Angriff als wahre Tempo- und Tormaschine. In der Defensive könnte ihm aber ein gescheiterter Wechsel im zurückliegenden Transferfenster Kopfschmerzen bereiten.

Im Sommer zeigte sich Borussia Dortmund höchst interessiert an einer Verpflichtung von Bayer Leverkusens Ömer Toprak. Den BVB schreckte jedoch die hohe Ablöseforderung von Bayer ab. Am Ende lehnte der Werksklub das Dortmunder Angebot von mehr als 20 Million für den türkischen Nationalspieler ab. Watzke sagte damals zu den gescheiterten Verhandlungen: „In der jetzigen Transferperiode hielten wir die Forderung von Leverkusen für nicht marktgerecht. Wir zahlen nicht jeden Preis“.

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Im Anschluss sah sich die Borussia trotz der gescheiterten Verpflichtung in der Defensivzentrale qualitativ und quantitativ ausreichend aufgestellt und vertröstete sich mit dem Umstand, dass Toprak im Sommer 2017 eine Ausstiegsklausel besitzt, die bei zwölf Millionen Euro liegt. Ein Wechsel ist aufgrund des großen Interesses also möglicherweise nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

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Trotz der Abstellung von Matthias Ginter und Sven Bender für die Olympischen Spiele in Rio in diesem Sommer gestaltete sich der Saisonstart sehr erfolgreich. Neuzugang Marc Bartra konnte sich wie erhofft in das System einfügen und bildete mit Sokratis eine stabile Defensivzentrale. Ein Umstand, in dem sich die Verantwortlichen mit der Verpflichtung von Bartra bestätigt sahen. Doch seit der Verletzung von Bender in Rio ist der Kader auf der Innenverteidigerposition vor dem Hintergrund der Dortmunder Dreifachbelastung dünn besetzt. Der verletzungsgeplagte Bender fällt noch auf unbestimmte Zeit aus.

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Personalsituation verschärft sich

Auch nach dem Ausfall von Bender standen mit Matthias Ginter und Neuzugang Mikel Merino, der eigentlich als Sechser verpflichtet wurde, zwei Alternativen zum Stammdou Bartra/Sokratis zur Verfügung. Der von Trainer Thomas Tuchel wenig geschätzte Subotic hätte den BVB gerne im Sommer verlassen, allerdings machten ihm das diagnostizierte erhöhte Thromboserisiko und eine damit verbundene Rippen-OP einen Strich durch die Rechnung.

Mittlerweile ist die Personalsituation deutlich angespannter. Bartra zog sich in der Anfangsphase des furiosen 5:1-Erfolgs beim VfL Wolfsburg eine Adduktorenverletzung zu und wurde in den folgenden Einsätzen von Matthias Ginter nur bedingt zufriedenstellend ersetzt. Im Champions League-Gruppenspiel gegen Real Madrid (2:2) standen Tuchel nur zwei der – bei großzügiger Rechnung – sechs Innenverteidiger im Kader zur Verfügung. Zuvor hatte Tuchel Merino nicht für den 25er-Kader für die Champions League nominiert. Also bildeten Sokratis und Ginter die Innenverteidigung. Der Dortmunder Übungsleiter bewertete Ginters Leistung im Anschluss positiv: „Wenn er mit einer Grundaggressivität spielt, wenn er sich in einen Zustand bringt, der nicht seinem ursprünglichen Gemütszustand entspricht, weil er ein sehr ruhiger Typ ist, dann kann er herausragend gut spielen. Da liegt für ihn noch Potenzial drin. Das Spiel gegen Real Madrid war für ihn in seiner persönlichen Entwicklung als Innenverteidiger ein kleiner Durchbruch.

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Die Möglichkeit, diese Leistung in den nächsten Wochen zu bestätigen bekommt der 22-jährige gezwungenermaßen – sein Compagnon aus dem Madrid-Spiel, Sokratis, hat sich in Dortmund verletzt von seiner Länderspielreise zurückgemeldet. Der robuste Grieche fällt mit Adduktorenproblemen zwei bis drei Wochen aus. Nun stehen Tuchel mit Bartra und Ginter zwei Innenverteidiger zur Verfügung, die ihre Qualität auf Bundesliganiveau schon bewiesen haben. Doch in Sachen Konstanz konnte vor allem Ginter nicht alle in Schwarz-Gelb endgültig überzeugen. Zudem bleibt abzuwarten, wie sich das neue Duo auch auf internationaler Ebene zurecht findet. Für die Bundesliga steht immerhin noch der wenig erfahrene Merino zur Verfügung.

Wie reagiert der BVB?

Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation stellt sich die Frage, inwiefern es fahrlässig war, mit der Kaderkonstellation des BVB in die Dreifachbelastung der Saison zu starten. Die Olympia-Abstellung von Ginter und Bender war sehr löblich von Tuchel & Co. Zumal Rio für die Spieler laut Aussagen eine herausragende Erfahrung darstellte. Benders langwierige Verletzung schmälert die Freude über die errungene Silbermedaille im Dortmunder Lager aber extrem. Tuchel, der für seine extrem akribische Arbeit bekannt ist und nach Möglichkeit auch im Training vier fitte und qualitativ hochwertige Innenverteidiger zur Verfügung haben möchte, dürfte derzeit dezent mit den Zähnen knirschen.

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Es bleibt nun abzuwarten, wie lange Bender letztendlich ausfällt. Außerdem stellt sich die Frage, ob der beim Dortmunder Publikum extrem beliebte Subotic nach seiner langen Ausfallzeit eine Chance bis zur Wintertransferperiode erhält. Die Ungewissheit dieser beiden Personalien könnte beim BVB dafür sorgen, dass sich die Borussia im Winter nach Neuzugängen umsieht. Ungeachtet der wahrscheinlichen Verpflichtung von Toprak im kommenden Sommer könnte Niklas Süle ein Kandidat für die BVB-Planstelle Innenverteidigung werden. Ob Ginter den nötigen Leistungssprung macht respektive ob man ihm diesen in Zukunft zutraut, wird auch die Vorgehensweise der Dortmunder Verantwortlichen bei Süle beeinflussen.

Eine weitere Saison mit Teilnahme in der Champions League, der Bundesliga und dem DFB-Pokal wird der BVB nicht mit dem aktuellen Personal bestreiten. Personelle Veränderungen und eine Verbreiterung des Kaders in der Defensive sind sehr wahrscheinlich – bleibt abzuwarten, ob diese Veränderungen bereits im kommenden Winter oder erst im Sommer 2017 angestrebt werden.

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