Deutschland - Irland: Moderner Kurzpass-Fußball trifft auf antiquiertes Catenaccio
Zwei Punkte fehlen der deutschen Nationalmannschaft noch, um das Ticket nach Brasilien zu buchen. Im WM-Qualifikationsspiel gegen die defensivstarken Iren könnte das Spiel für die DFB-Elf allerdings einmal mehr zur Geduldsprobe werden. FussballTransfers beleuchtet im Vorfeld der Partie die taktischen Systeme der beiden Kontrahenten.

Irischer Fußball: Das bedeutet eisenharte Zweikämpfe, Defensivbollwerk und Leidenschaft. Die Grundtugenden des Spiels sollte die Truppe um Kapitän Robbie Keane also beherrschen. Taktisch allerdings sieht es etwas anders aus. Unter Ex-Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni übten sich die ‚Boys in green‘ zumeist eher im antiquierten ‚Catenaccio‘ als in modernem Pressing-Fußball. Nach der 0:1-Niederlage gegen Österreich war für den italienischen Altmeister auch in Irland endgültig Schluss und er musste seinen Stuhl für U21-Coach Noel King freimachen, der aber wohl nur eine Interimslösung ist.
In Spiel eins für die Iren nach dem Trainerwechsel sind Überraschungen im System nicht ausgeschlossen. Zuletzt kündigte Coach King an, ein wenig moderner spielen lassen zu wollen. Aufgrund der kurzen Zeit wird er den Trapattoni-Fußball aber wohl nicht gänzlich über den Haufen werfen können. Das könnte gegen ein technisch und taktisch so ausgereiftes Team wie Deutschland leicht in einem Desaster enden.
Zentrale Manndeckung der Iren
Zumindest auf dem Papier schien das 6:1 im Hinspiel eine klare Sache. Bei näherer Betrachtung jedoch war der Sieg der Löw-Elf bei weitem nicht so klar, wie es das Resultat vermuten lässt. Besonders in Hälfte eins tat sich die DFB-Elf schwer, ihr Spiel aufzuziehen und Chancen in Tornähe zu kreieren. Hier muss dem Trainerfuchs der alten italienischen Schule attestiert werden, dass er ein gutes Näschen bewies. So ließ er in einem 4-5-1 agierend die drei zentralen Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Mesut Özil jeweils in Manndeckung nehmen.
Allerdings wussten die drei deutschen Zentrum-Spieler gut damit umzugehen. Özil wich immer wieder auf den offensiven Flügel aus, Schweinsteiger und Khedira ließen sich meist auf die Seiten in der eigenen Hälfte fallen. Dort fungierten sie als sogenannte Wandspieler für die Innenverteidiger Jérôme Boateng und Per Mertesacker, indem sie die Bälle direkt klatschen ließen, damit die Iren erst gar nicht in die Zweikämpfe kommen konnten.
Mit dieser Reaktion entging die DFB-Elf zwar möglichen Kontern der Iren, konnte aber auch bei weitem nicht so viel Druck im Offensivspiel entwickeln, wie Jogi Löw sich das wohl vorgestellt hatte. Auch das Gegenpressing (sobald ein Spieler den Ball verliert, wird von mehreren pressenden Spielern aggressiv und kompakt innerhalb weniger Sekunden versucht, den Ball zurückzuerobern) funktionierte gegen Irland gut. So strahlten sie nie wirkliche Gefahr aus.
Besondere Rolle der beiden Flügelspieler
Konnte Deutschland einmal ins letzte Spielfelddrittel vordringen, zogen sich die zentralen Mittelfeldspieler der Iren sofort zurück bis vor den eigenen Sechzehner und verteidigten dort massiert. Deutschland fehlte es an kreativen Impulsen. Aufgrund des eher unorthodoxen Spielaufbaus der DFB-Elf fiel den beiden Flügelspielern – im Hinspiel Marco Reus und Thomas Müller – eine besondere Rolle zu. Sie mussten im Umschaltmoment in die im zentralen Mittelfeld zwangsläufig entstandenen Lücken starten und mit Tempo für Unordnung im irischen Defensiv-Verbund sorgen. Dies gelang jedoch zunächst sehr selten und es dauerte lange, bis die Deutschen das erste Mal jubeln durften. Da kaum Ideen vorhanden waren, musste wie so oft eine Einzelaktion her. Marco Reus – dem kurz zuvor ein klarer Elfmeter verwehrt wurde – sorgte per Doppelschlag (32./40.) für die 2:0-Halbzeitführung.
Die Rolle der Flügelspieler werden heute Abend voraussichtlich auf rechts wieder Thomas Müller und auf links entweder Julian Draxler vom FC Schalke oder André Schürrle vom FC Chelsea übernehmen. Taktisch würden beide Linksaußen wohl sehr ähnlich agieren. Aufgrund der guten Schusstechnik könnte beiden heute Abend eine entscheidende Funktion zukommen. Gut möglich, dass der Linksaußen vermehrt den Abschluss aus der Distanz suchen soll.
Kroos als sinnvolle Alternative
Nachdem Trapattoni nach der Pause auf ein 4-4-2 und eine Raumdeckung umstellte, fielen die Iren in Durchgang zwei schließlich auseinander und insbesondere die Einwechslung von Toni Kroos für den verletzten Khedira sollte sich bezahlt machen. Kroos agierte in den Räumen zwischen den Ketten der Iren glänzend, die keinen Zugriff auf das deutsche Spiel bekamen und krönte seine Leistung mit zwei schönen Treffern aus der Distanz. Daher wäre es eine Überlegung wert, Kroos auch heute gegen die defensivorientierten Iren an der Seite von Schweinsteiger aufzustellen.
Bemerkenswert: Die sechs Tore resultierten aus lediglich acht Torschüssen – die Iren hatten immerhin vier. Diese gnadenlose Effizienz zeichnet die Mannschaft um Kapitän Philipp Lahm aber sonst nur äußerst selten aus, weshalb sich darauf keineswegs verlassen werden sollte.
Fazit: Dass es heute Abend keinen offenen Schlagabtausch zu sehen gibt, sollte allen Beteiligten klar sein. Ebenso, dass Deutschland wohl wieder eine Geduldsprobe erwartet. Dennoch wird es interessant zu beobachten, ob Irland-Trainer King ebenfalls auf eine Manndeckung der drei zentralen Spieler bei Deutschland zurückgreift. Zumindest bis zur Einzelleistung von Reus fruchtete dieser Ansatz im Hinspiel sehr gut und schnürte die Deutschen in ihrer Spielidee ein. Gut möglich, dass heute Abend insbesondere der deutschen Flügelzange Müller und voraussichtlich Draxler eine große Bedeutung zukommt, sollten die Sphären der deutschen Kreativzentrale wieder eingeengt werden. Vor allem Schüsse aus der Distanz könnten gegen defensiv kompakt stehende Iren ein Mittel sein und die Entscheidung bringen. Damit das Ticket für Brasilien frühzeitig gebucht werden kann.
So werden die Teams voraussichtlich spielen:
