DFB-Debütant Andrich: Überfällige oder zu späte Nominierung?

von Tristan Bernert
3 min.
Robert Andrich @Maxppp

Seinen Stammplatz bei Bayer Leverkusen hat Robert Andrich verloren, die aktuelle Situation bezeichnet er als die persönlich schwierigste seiner Bundesliga-Karriere. Und trotzdem steht der 29-Jährige nun vor seinem Debüt für die Nationalmannschaft. Wie plant Trainer Julian Nagelsmann mit ihm?

Fakten

Alter: 29
Position: Mittelfeldspieler
Verein: Bayer Leverkusen
Profispiele/Scorerpunkte: 225/46

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Werdegang

Wie die meisten Bundesliga-Profis wurde Robert Andrich im Nachwuchsleistungszentrums eines großen Vereins ausgebildet – das waren dann aber schon die Gemeinsamkeiten mit dem typischen Werdegang eines Nationalspielers. Bei seinem Jugendklub Hertha BSC konnte sich der gebürtige Potsdamer nicht durchsetzen, schlug sich drei Jahre in der Regionalliga-Mannschaft der Berliner herum und wechselte im Winter 2015 in die dritte Liga zu Dynamo Dresden.

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Großes Talent war ihm dort nicht attestiert worden: Nach zwei Jahren auf der Bank folgte 2016 der ligainterne Wechsel zu Wehen Wiesbaden – vom Tabellenführer und Zweitliga-Aufsteiger zum Abstiegskandidaten. Von da an ging es für den damals 22-Jährigen kontinuierlich nach oben: Zwei Jahre in Wiesbaden, der Transfer in die zweite Liga nach Heidenheim, ein Jahr später für 3,1 Millionen Euro zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin und 2021 nach zwei Spielzeiten als Leistungsträger zu Bayer Leverkusen.

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Spielweise

Andrich haftet der Ruf an, ein reiner Abräumer zu sein. Optisch verkörpert er schließlich den stereotypen harten Zweikämpfer, der 29-Jährige bringt aber auch andere Qualitäten mit. Andrich ist mehr Achter als Sechser und schaltet sich gern und effektiv ins Offensivspiel ein, wie seine 46 Torbeteiligungen im Karriereverlauf zeigen. Auch bei Bayer zeigte er bereits sein Faible fürs Toreschießen: In seiner Debütsaison war er an zehn Treffern direkt beteiligt.

Andrich nutzt dabei gut getimte Tiefenläufe, um spät im gegnerischen Sechzehner aufzutauchen und so in Abschlusspositionen zu kommen. Im neuen Ballbesitz-System von Bayer-Trainer Xabi Alonso kommen diese Stärken aber weniger zum Tragen, seine im Vergleich zur Liga-Elite nicht fehlerfreie Technik fällt häufiger auf. Andrich konzentriert sich deshalb zurzeit vorrangig auf seine Defensiv-Fähigkeiten, die er als Joker auf den Platz bringen soll. Das erledigt er als zweikampf- und laufstarker Mentalitätsspieler auch souverän, Andrich ist aber kein Spielertyp, der eine Defensive als alleiniger Sechser ankern kann.

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Stimmen

DFB-Coach Julian Nagelsmann: „Wir wollten auf der Sechs noch ein anderes Profil. Er ist ein Spieler, der im defensiven Zweikampf sehr aktiv ist, der auch eine Art Zerstörer sein kann und eine gute Siegermentalität mitbringt. Er ist ein Spieler, der das nötige Verantwortungsbewusstsein für die Defensive mitbringt, das wir brauchen, wenn wir am Ende eines Spiels auch mal ein Ergebnis halten müssen. Trotzdem spielt er bei Leverkusen auch eine gute Rolle in der Offensive. Sein Trainer bringt ihn immer wieder in gute Räume, die wir für ihn so auch sehen.“

Perspektive

Es ist durchaus kurios, dass Andrich ausgerechnet in einer Zeit erstmals für die Nationalmannschaft nominiert wird, die er selbst gegenüber ‚Sport1‘ als die für ihn persönlich „schwierigste Phase, seit ich in der Bundesliga spiele“ bezeichnet. Schließlich stand er in dieser Saison nur einmal in der Startelf und fungiert als Defensiv-Joker. Folgt sein Debüt nun, obwohl er seinen Leistungszenit möglicherweise schon überschritten hat?

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In Phasen, in denen er als Stammspieler für Bayer auch an zahlreichen Toren direkt beteiligt war, beachtete ihn Ex-Bundestrainer Hansi Flick nicht. Nagelsmann hat sich zur Nominierung des Leverkuseners aber offenbar seine Gedanken gemacht. Andrichs Offensivfähigkeiten sind für den neuen DFB-Coach zweitrangig – durchaus nachvollziehbar, schließlich bietet der Kader Sechser mit deutlich mehr Qualitäten in diesem Bereich.

Es scheint, als hätte Nagelsmann für den Leverkusener genau die Rolle vorgesehen, die er zurzeit auch unter Alonso spielt. Und da Andrichs Kombination aus Physis, Mentalität und Zweikampfstärke ein gewisses Alleinstellungsmerkmal unter den deutschen Sechsern ist, kann sich der 29-Jährige durchaus Hoffnungen machen, zukünftig öfter für die Nationalmannschaft berufen zu werden. Allerdings nur als Rollenspieler mit einem klar abgesteckten Aufgabenbereich.

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