Den Spiegel vorgehalten: Drei Gründe für den Absturz des BVB

von Steffen Röck - Quelle: Eurosport
4 min.
Besser nicht hingucken: Peter Bosz @Maxppp

Nach dem Rekord-Saisonstart steckt Borussia Dortmund in der größten Krise seit der katastrophalen Hinrunde im Jahr 2014. Der Bundesliga-Novize Peter Bosz kriegt den medialen Druck zu spüren. Noch stehen die Verantwortlichen des BVB öffentlich zu ihrem Trainer. Aber es muss sich etwas ändern bei den Westfalen.

Matthias Sammer, Dortmunds Meistertrainer aus dem Jahr 2002, legte gegenüber ‚Eurosport‘ den Finger in die Wunde: „Das Dortmunder Spiel ist geprägt von Unruhe, Hektik und Disbalance.“ Klare Worte, die verdeutlichen, dass man nicht einfach weitermachen kann wie bisher. Der Experte ist sich sicher: „Deshalb wird der Druck immer größer – auf die Mannschaft und damit auch auf Peter Bosz. Weil der Trainer in diesen Dingen auch sehr einsam ist.“ Wenn der Erfolg ausbleibt, gehört es allerdings zu den Aufgaben eines Spitzentrainers nachzujustieren. Hierbei stehen drei zentrale Punkte im Fokus.

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1) Das System: Bosz hat eine klare Haltung zu der Formation, in der er seine Mannschaften spielen lässt. Es soll ein 4-3-3 sein – immer. Das hat er ganz klar kommuniziert und die Spieler, wie Kapitän Marcel Schmelzer, scheinen sich daran nicht zu stören. Doch sie sind auch nicht der Maßstab, an dem das Auftreten der Borussen gemessen wird. Vielmehr haben die meisten Bundesligatrainer die Formel des Bosz-Fußballs entschlüsselt.

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Die Sturheit von Bosz

In einem 3-4-1-2 wird die Aufstellung der Dortmunder gespiegelt. In einer umfassenden Manndeckung kommt die Mannschaft nicht zur Entfaltung. Ein einfaches Mittel, welches den Spitzenklub lahmzulegen scheint. Gewinnt der Gegner in dieser Staffelung den Ball, reicht häufig ein Steilpass für einen brandgefährlichen Konter. Tottenham, Leipzig, Hannover, Frankfurt und Stuttgart kamen so zu einer Vielzahl von Chancen und Toren. Sturheit auf Seiten von Bosz oder einfach eine Frage der Zeit, bis die Dortmunder Spieler das System endlich richtig begreifen? Die Antwort wirkt im Schatten der Niederlagen fast egal.

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Viele Gelegenheiten wird der Coach nicht mehr bekommen. Flexibilität muss nicht automatisch zum Erfolg führen, aber nur Jupp Heynckes bei den Bayern kann sich momentan in der Bundesliga ein starres taktisches Schema leisten. Sammer gibt dem 54-jährigen Niederländer klare Hinweise: „Peter Bosz muss begreifen, dass er seine Idee in Nuancen besser organisieren muss. Du brichst dir keinen ab, wenn du diese Idee auch ein bisschen anders organisierst.

2) Das Personal: Der aktuelle Misserfolg ist auch eng mit den Personalentscheidungen des BVB verknüpft. Im Sommer musste man mit Ousmane Dembélé zum wiederholten Male einen Spieler ziehen lassen, der ein Gesicht der Borussia hätte werden können. Aus finanzieller Sicht und mit dem Boykott des Franzosen konfrontiert macht der 105 Millionen Euro-Deal Sinn. Doch eigentlich hatten sich die Macher um Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc Kontinuität auf die Fahnen geschrieben. Der Wechsel machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die offensiven Neuzugänge Andriy Yarmolenko, Maximilian Philipp und Jadon Sancho sind zwar keine Enttäuschungen, doch die Klasse Dembélés besitzen sie alle nicht.

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War die Rotation richtig?

Zudem muss man die Umstellungen Boszs genauer betrachten. Nach den ersten Saisonspielen hatte sich eine Achse gebildet. Roman Bürki, Sokratis, Nuri Sahin, Gonzalo Castro und Philipp lieferten starke Vorstellungen ab. Die Dortmunder spielten teils wie im Rausch und dominierten ihre Spiele durch überragende Offensivleistungen. Doch der Coach baute um, rotierte und traf Entscheidungen, die dem Spiel des aktuellen Pokalsiegers nicht guttaten.

Mit den Rochaden gingen die Selbstverständlichkeit und auch der Rhythmus verloren. Sammer unterstreicht vor allem die Wichtigkeit Sahins gegenüber den anderen Kandidaten im defensiven Mittelfeld: „Fußball ist viel, viel mehr als nur Taktik oder eine Position im Fußball. Es ist Ausstrahlung und Persönlichkeit. Und da muss man ganz klar sagen, ist Nuri Sahin um Welten voraus.

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3) Individuelle Fehler: Betrachtet man die Gründe für die schlechten Ergebnisse seit der 2:3-Niederlage gegen RB Leipzig Mitte Oktober, so erkennt man immer wieder eklatante Fehler einzelner Akteure. Auch die erfahrensten Spieler schießen Böcke. Roman Bürki, Marc Batra, Schmelzer, Julian Weigl oder auch Pierre-Emmerick Aubameyang versagen defensiv wie offensiv die Nerven. Mit steigendem Druck und weiteren schlechten Resultaten steigt die Gefahr weiter, dass einer der Profis patzt.

Aubameyangs Krise ist Sinnbild

Weigl sagte auf der Pressekonferenz vor dem Champions League-Spiel gegen Tottenham Hotspur Maßgebliches: „Jeder muss auf sich gucken. Alle müssen besser werden. Auch ich spiele nicht den Fußball, den ich gerne von mir sehen möchte.“ Offenkundig hat dieser Prozess bei den meisten Spielern aber immer noch nicht eingesetzt. Borussia Dortmund droht der Absturz ins Niemandsland der Liga. Das fast schon traditionelle Saisonziel Champions League-Qualifikation ist in akuter Gefahr.

Der 50-jährige Sammer ist dabei besonders von dem schillernden Toptorjäger des Teams enttäuscht: „Aubameyang muss sich ganz klar hinterfragen was im Moment passiert. Wenn er zu den ganz Großen gehören will, auch in der Dortmunder Ära, sollte er sich schleunigst wieder auf das Wesentliche konzentrieren.“ Die Mannschaft muss durch Geschlossenheit und Leidenschaft mit Taten füllen, was der Trainer von ihr verlangt. Steht das Team zu seinem Übungsleiter, müssen die Spieler schnell den Schalter umlegen.

Siege – sonst nichts

Die Dortmunder haben eklatante Probleme. Viele sind hausgemacht, aber die Lösungen könnten schon mit Siegen gegen Tottenham und den FC Schalke angestoßen werden. Flexibilität und ein höheres Verantwortungsbewusstsein sind Wege aus dem Tal der Borussen. „Das ist jetzt die Aufgabe des Trainers in Verbindung mit der Mannschaft und den Führungsspielern, in ihr Spiel wieder Ruhe, Gelassenheit und Balance hineinzubekommen“, erläutert Sammer abschließend.

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