Keine „Scheinwelt“ – sollten die zweiten Mannschaften abgeschafft werden?
RB Leipzig, Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt haben es bereits getan. Der VfB Stuttgart könnte bald folgen. Die zweiten Mannschaften geraten aus der Mode. Ein guter Trend, wie ein prominenter Gegner der Reserveteams meint.

Michael Reschke ist dafür, zweite Mannschaften von Profiteams flächendeckend abzuschaffen. Im Interview mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘ mahnt der Sportvorstand des VfB Stuttgart: „Die zweiten Mannschaften stehen, provokant gesagt, oftmals für eine Art Pseudo-Profitum: Du bist immer noch bei deinem großen Klub, wirst professionell betreut, fährst im schönen Bus durchs Land, kriegst pünktlich ein ordentliches Gehalt. Aber auch deshalb wollen manche Talente lange nicht wahrhaben, dass es für ganz oben nicht reichen wird.“
Das Wohl der jungen Spieler hat Reschke dabei besonders im Blick: „Die Vereine haben die Verantwortung, dass sie nicht zu viele Jungs, die niemals in der Bundesliga ankommen, durch diese Scheinwelt schleusen. Irgendwann sind sie 30, dann haben sie zwar mit Fußball mehr Geld als der Durchschnittsbürger verdient - aber nicht genug fürs Leben.“ Soziale Absicherungen wie Studium oder Ausbildung bleiben bei Dritt- oder Regionalligaspielern häufig auf der Strecke.
Ellbogen ausfahren erwünscht
Nach der (Amateur-)Karriere droht – sofern man nicht vorgesorgt hat – zwangsläufig ein wesentlich niedrigerer Lebensstandard. Dem will Reschke vorbeugen, indem er Talente eher bei abgerutschten Traditionsklubs parkt. Das „muss kein Nachteil für die Entwicklung sein“, so der 60-Jährige, „denn in Aachen, Essen oder Saarbrücken muss ein Talent noch mehr die Ellbogen ausfahren, um sich durchzusetzen.“
FT-Meinung
Der Schritt zur Abschaffung der zweiten Mannschaften muss wohlüberlegt sein. Klar ist, dass trotz teilweise langjähriger Ausbildung dann nur noch absolute Top-Talente ihres jeweiligen Jahrgangs den Vereinen erhalten bleiben und auf Anhieb eine Option für die Profis werden. Spätstarter müssten den steinigen Weg über niederklassige Klubs gehen, die hauseigene Ausbildung würde abrupt enden.
Reschkes Ansatz, junge Spieler, bei denen es nicht für ganz oben reicht, nicht zu blenden, ist dennoch lobenswert. Zu groß ist die Gefahr, nach dem Karriereende ohne klare berufliche Perspektive dazustehen. Merken die Talente in Regionalliga-Mannschaften mit einem deutlichen höheren Altersschnitt als gewohnt, dass es nicht für oben reichen wird, ist ein Umdenken wahrscheinlicher.
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