Interview-Termine nach schwachen Spielen sind für Kapitäne oft ein Gang nach Canossa. Für Nico Schlotterbeck kam die Aufgabe am gestrigen Mittwochabend aber eher einer Gesprächstherapie gleich. Die Worte des BVB-Vizekapitäns lassen tief blicken.
Nico Schlotterbeck hat bei Borussia Dortmund eine bemerkenswerte Metamorphose hingelegt. Dass der Innenverteidiger zu einem der besten seines Jahrgangs zählt, war schon 2022 klar, als er den SC Freiburg verließ, um in Dortmund Champions League-Karriere zu machen. Schon damals hatte der FC Bayern großes Interesse, kam jedoch zu spät.
Aber nicht nur sportlich hat sich Schlotterbeck noch einmal deutlich weiterentwickelt. An guten Tag ist der Modellathlet defensiv nicht zu überwinden. In Kombination mit seiner Spielintelligenz, der er mit seinem herausragenden linken Fuß Ausdruck verleiht, ist der Dortmunder Abwehrchef in der Weltspitze angekommen und rein spielerisch mit der Beste überhaupt.
Von Schlotti zu Schlotterbeck
Frappierend ist aber die charakterliche Wandlung. Der 26-Jährige ist deutlich ernster geworden und scheut sich nicht, offensichtliche Dinge klar zu benennen. Der teils albern wirkende Kabinen-Clown gehört der Vergangenheit an und ist ohnehin mit der Würde einer Kapitänsbinde nur schwer in Einklang zu bringen.
Genau diese Binde soll der aktuelle Vize über die kommenden Jahre eigentlich in Dortmund tragen. Doch die Medien-Meinung fällt mittlerweile sehr eindeutig aus. Von schwierig bis nahezu ausgeschlossen werden die Dortmunder Chancen auf eine Vertragsverlängerung bewertet. Bei den BVB-Fans, die den gestrigen Interview-Auftritt nach der 2:2-Enttäuschung gegen den FK Bodö/Glimt gesehen haben, schwinden die Hoffnungen wie ein Eis in der Sonne.
„Das Spiel zu killen, ist eine Qualitätssache. Wenn du das nicht machst und durch einen Einwurf, wo du in Unterzahl bist und den Ball nicht weghaust, das 2:2 kassierst, ist das nicht gut genug. Das muss man ansprechen. Ich habe es in der Halbzeit auch laut zur Mannschaft gesagt“, stellte Schlotterbeck die Qualitätsfrage.
Anstatt in der Champions League-Spitzengruppe überwintert der BVB auf Platz zehn. Für den Verteidiger „ist das nicht bitter, sondern richtig schlecht. Wir spielen Champions League. Das ist viel zu wenig. Wir hätten heute hier auf 13 Punkte gehen können.“ Der Kapitän weiter: „Ich glaube, manchen war nicht bewusst, wie wichtig das ist.“
Argumente gegen eine Verlängerung
Aus dem 23-fachen Nationalspieler spricht nach der unnötigen Punkteteilung klar die Enttäuschung. Hätte er bereits mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen, würde sicher noch mehr Gleichgültigkeit mitschwingen. Fakt ist aber auch, die Mannschaft liefert Schlotterbeck keine Argumente, sich für einen Verbleib zu entscheiden – im Gegenteil. Vielmehr lieferte das gestrige Spiel weitere Argumente gegen eine Zukunft in Dortmund.
Der Ärger über seine eingewechselten Mitspieler und die desaströse Schlussphase spricht Bände: „Ich glaube, nach dem 2:2 hatten wir keine Torchance mehr. Wir haben die letzten 15 Minuten unfassbar unsauber gespielt. Die letzten fünf Minuten hatte Bodö mehr Ballbesitz als wir. Das kann nicht der Anspruch sein, vor allem in einem Heimspiel.“ So spricht keiner, der verlängert.
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