Mailand-Derby: Der Absturz einer Fußballstadt

von Kevin Niekamp
4 min.
Die Ikonen Maldini und Zanetti erlebten zahlreiche mitreisende Derby della Madonnina @Maxppp

Noch vor wenigen Jahren verbreiteten die Namen AC und Inter Mailand in Europa Angst und Schrecken. Mittlerweile sind die die Traditionsklubs im grauen Mittelmaß der Serie A angekommen. Besserung ist nicht in Sicht.

  1. Spieltag in der Serie A, das Mailand-Derby zwischen Inter und AC steht an. Bis vor ein paar Jahren wäre die Begegnung zu diesem Zeitpunkt ein ‚Do-or-Die‘-Spiel gewesen. Eine mögliche Vorentscheidung im Rennen um die Meisterschaft, ein Kampf der Giganten. Heute, im Jahr 2015, ist es das Duell des Zehnten (Inter) gegen den Neunten (AC). Die Europa League, aktuell das höchste der Gefühle, ist acht respektive neun Punkte weg. Der dritte Rang, der zur Qualifikation an der Champions League berechtigt, unerreichbare 16 beziehungsweise 17 Punkte entfernt. Das Thema Meisterschaft ist ohnehin soweit weg, wie der Mailänder vom Kölner Dom.
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Die Zeiten, in denen sich beide Mannschaften mit Superstars wie Zlatan Ibrahimovic, Kaka, Andrea Pirlo oder Samuel Eto’o duellierten und die Ikonen Javier Zanetti und Paolo Maldini ihre Teams als Kapitäne ins Giuseppe Meazza führten, sind vorbei. Mailand ist längst als Fußballstadt Nummer eins in Italien durch Rom, mit AS und Lazio, und auf europäischer Ebene durch Madrid, mit Atlético und Real, abgelöst worden. Inter und AC (83) sammelten in der laufenden Saison zusammen weniger Punkte als die Serie A-Klubs der Städte Rom (116), Genua (94) oder Turin (117) .

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Champions League-Sieg gegen den FC Bayern

Das heruntergekommene San Siro, das Milan-Manager Adriano Galliani einst als das „Wohnzimmer der Champions League“ betitelte und das beide Klubs nur noch in den seltensten Fällen voll bekommen, steht symbolisch für den Niedergang der beiden Traditionsklubs. Aktuell liegt der Zuschauerschnitt beider Teams weit unter 40.000 – 81.000 Plätze hat das Stadion zu bieten.

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Ein Niedergang, der sich nicht unbedingt andeutete, dafür umso krachender und verheerender kam. Im Jahr 2010 gewann Inter unter José Mourinho das Triple. Im Finale der Champions League war der FC Bayern nahezu chancenlos. Es war der Gipfel, von dem Inter tief stürzte. Die folgenden Ligaplatzierungen bis zur aktuellen Saison: 2, 6, 9, 5, 9 – Fortsetzung folgt.

Europa League-Aus gegen den VfL Wolfsburg

Während die Münchner ihren Umsatz in den letzten Jahren in neue Welten lenkten, hinken AC und Inter dank eines katastrophalen Merchandising, exorbitant hoher Gehälter sowie Ablösesummen und fehlendem Nachwuchs weit hinter her. In den vergangenen zehn Jahren steigerte der AC Mailand seinen Umsatz gerade einmal um gut 15 Millionen Euro von 234 auf 249,7 Millionen. Inter kommt aktuell nicht einmal an die 200 Millionen Grenze heran. Der FC Bayern macht alleine mehr Umsatz als beide Mailänder Klubs zusammen.

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AC spielte in der laufenden Saison nicht einmal mehr international, Inter schaffte immerhin die Europa League und scheiterte dort vor Wochen deutlich am VfL Wolfsburg. Jenem VfL Wolfsburg, das wiederum gegen den SSC Neapel zuhause mit 1:4 her gespielte wurde. Sportlich und wirtschaftlich ist Inter maximal noch Mittelmaß.

Das Geld ist weg

Statt vielversprechenden Neuzugängen probiert man es beim AC Mailand in den zurückliegenden Jahren vor allem mit Leihgeschäften und ablösefreien Spielern. Jérémy Ménez, Alex, Fernando Torres oder Marco van Ginkel sind nur einige Beispiele. Der Geldhahn von Silvio Berlusconi ist zugedreht. Der 78-Jährige ist nicht länger bereit, das Fass ohne Boden zu füllen. Am Anfang bedeutete dies, den Abgang der Superstars Ibrahimovic, Kaka oder Thiago Silva. Mittlerweile soll ein Investor den Verein retten. Ein Modell, das beim Stadtrivalen mit Erick Thohir bereits vorgelebt wird.

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Der indonesische Geschäftsmann pumpt seit kurzem sein Geld in den Verein und machte damit Verpflichtungen wie Xherdan Shaqiri, Lukas Podolski oder Davide Santon möglich. Trainer Roberto Mancini fordert nahezu täglich neue Spieler. Yaya Touré, Stefan Jovetic oder Aleksandar Kolarov. Je teurer, desto besser – Wunschspieler fernab der Realität.

Keine Rolle mehr in Europa

Ein Ende der Talfahrt ist aktuell nicht abzusehen. Aufgrund des Financial Fairplays können die Investoren nicht unendlich viel Geld ausgeben. Die Millionen aus der Champions League bleiben ohne diese Investition jedoch ein Traum. Die wenigen jungen Spieler, bei denen Potenzial vorhanden ist, können mit der aktuellen sportlichen und wirtschaftlichen Perspektive nicht gehalten werden. Mauro Icardi, Stephan El Shaarawy, Hachim Mastour oder Mateo Kovacic werden von den Klubs aus der Premier League und aus der Primera División umworben, mit denen ihre aktuellen Arbeitgeber vor einigen Jahren auf Augenhöhe waren.

Somit ist das Mailänder Stadtderby nahezu in der Bedeutungslosigkeit versunken. Es geht lediglich noch darum, am Ende der Saison vor dem Stadtrivalen zu landen. Die Ansprüche und realistischen Ziele sind ebenfalls tief gefallen. Das internationale Geschäft werden beide Teams im Normalfall verpassen. Es wäre das erste Mal seit der Saison 1956/57. Borussia Dortmund wurde in diesem Jahr zum ersten Mal deutscher Meister. Lang, lang ist’s her.

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