Clarence Seedorf unterschreibt beim AC Milan: Ein Porträt von Mr. Champions League

Eigentlich steht er noch bis Juli bei Botafogo FR unter Vertrag. Diese Chance kann er sich jedoch kaum entgehen lassen. Nach dem Aus von Massimiliano Allegro bei den Lombarden wurde Clarence Seedorf schnell ins Spiel gebracht. Am heutigen frühen Abend folgte dann die Bestätigung des AC Mailand. Zwar gibt es noch keine Informationen darüber, wie genau sich die Italiener mit dem brasilianischen Erstligisten geeinigt haben, dennoch steht fest, dass Clarence Seedorf ab sofort Cheftrainer bei Milan ist. Und das, obwohl er eine absolute Novize ist. Dem Vernehmen nach soll Seedorf einen Vertrag bis 2016 unterschreiben.

„Als mich der Präsident Berlusconi angerufen hat, konnte ich nicht Nein sagen“, erklärt der ehemalige Nationalspieler und ergänzt, „diese Erfahrung in den vergangenen eineinhalb Jahren hat mich sehr wachsen lassen und wird mir bei meinem kommenden Schritt helfen als Trainer von Milan“. Dabei setzte sich der 37-jährige ehemalige Top-Star als Kandidat unter anderem gegen seine alten Weggefährten Andriy Shevchenko und ‚Pippo‘ Inzaghi durch. Letzterer traininert aktuell die U19 des 18-fachen italienischen Meisters. Seedorf soll schon am kommenden Sonntag gegen Hellas Verona auf der Trainer-Bank der Profis sitzen.

Debüt für Ajax mit 16

Seiner fußballerische Karriere begann 1982 in der niederländischen Hafenstadt Almere, bei VV AS ’80. Von dort wechselte der in Surinam geborene junge Seedorf stadtintern zu Real Almere, bevor er sich 1986, im Alter von zehn Jahren, der berühmten Fußballschule von Ajax Amsterdam anschloss. Am 28. Oktober 1992 debütierte der damals 16-jährige Seedorf gegen VVV Venlo. Für Ajax spielte der spätere Weltstar drei Saisons. Nach 64 Spielen in der Eredivisie, elf Toren und dem Gewinn seines ersten Champions League-Titels 1995 (1:0 gegen den AC Mailand), war für Seedorf die Zeit gekommen, in eine große Liga Europas aufzubrechen.

Dieses Vorhaben verlief jedoch zunächst anders als geplant. Obwohl der 19-jährige Seedorf von zahlreichen Top-Klubs umworben wurde, wechselte er zu Sampdoria Genua, wohin ein Jahr später auch Jürgen Klinsmann wechseln sollte. Zu diesem Zeitpunkt war das Kapitel Serie A für den Niederländer allerdings schon wieder besiegelt. Nach einer enttäuschenden Saison in Norditalien wechselte er 1996 für damals rund 15 Millionen Mark zu Real Madrid, wo er drei Jahre die Treter schnürte.

Zweiter Champions League-Sieg unter Jupp Heynckes

Neben Stars wie Raúl, Pedrag Mijatovic, Davor Suker und Roberto Carlos zog er unter Coach Fabio Capello auf Anhieb die Fäden im Mittelfeld der ‚Königlichen‘ und avancierte sukzessive zum gefeierten Star im Santiago Bernabéu. Ein Jahr darauf, in der Saison 1997/98, verpasste der heute 37-Jährige mit Jupp Heynckes zwar die Meisterschaft, gewann dafür allerdings die Champions League in Amsterdam gegen Juventus Turin (1:0). Zwei Jahre später trennten sich die Wege Seedorfs und der ‚Königlichen‘ schließlich.

Im Anschluss an seine erfolgreiche Zeit bei Real Madrid wechselte ‚Magnificent C‘ für rund 24,5 Millionen Euro ins Giuseppe Meazza-Stadion nach Mailand. Jedoch zunächst einmal zu Inter Mailand, wo er nicht sonderlich glücklich wurde. Nach zwei Jahren bei den ‚Nerazzurri‘ wechselte er die Mailänder Fronten und schloss sich dem Lokalrivalen AC Mailand an, wo er die längste Zeit seines Lebens spielen sollte. Die ‚Rossoneri‘ sicherten sich die Dienste des zu diesem Zeitpunkt 26-jährigen niederländischen Nationalspielers im Tausch mit dem damals heiß umworbenen Francesco Coco.

Die erfolgreichste Zeit seines Lebens

Bei den rot-schwarzen Lombarden erlebte der kraftvolle Stratege die erfolgreichste Zeit seiner aktiven Karriere. Nun will er das sinkende Schiff der ‚Rossoneri‘ als Trainer wieder auf Vordermann bringen und an den alten Erfolgen anknüpfen. In der Serie A, der er 1996 in Genua schon den Rücken gekehrt hatte, absolvierte er schließlich insgesamt 397 Spiele, schoss 59 Tore und bereitete 27 weitere vor.

Mit Stars wie Andrea Pirlo, Paolo Maldini, Andriy Shevchenko, Cafu, ‚Pippo‘ Inzaghi und Kaka holte er zweimal die italienische Meisterschaft (2004 und 2011) und gewann ebenfalls zweimal die Königsklasse. 2003 und 2007 durfte er zum insgesamt dritten bzw. vierten Mal in seiner Karriere den fünf Kilogramm schweren Henkelpott in die Lüfte reißen. Damit ist er der erfolgreichste Fußballer der Champions League-Geschichte. Nie zuvor konnte sich ein Fußballer mit drei verschiedenen Vereinen die Krone des europäischen Klub-Fußballs aufsetzen. Zudem belegt er mit insgesamt 131 Einsätzen, gemeinsam mit Real Madrid-Keeper Iker Casillas, Platz vier in der ewigen Rangliste der Champions League-Rekordspieler. Nach seiner erfolgreichen Zeit beim AC Mailand wechselte er schließlich nach Brasilien, zu Botafogo FR, von wo aus er nun als Trainer in die Lombardei zurückkehrt.

Die ungeliebte Elftal

Allerdings war seine Karriere nicht ausschließlich auf Rosen gebettet. Insbesondere in der niederländischen Nationalmannschaft galt der athletische Mittelfeld-Star als umstritten. Viele Experten warfen ihm vor, für die ‚Elftal‘ nicht mit gleichem Engagement und Leidenschaft zu Werke zu gehen wie im Verein. Vermutlich war das auch der Grund, warum ihn der ehemalige Bondscoach Marco van Basten – ebenfalls eine Milan-Legende – nicht mit zur WM 2006 nach Deutschland nahm. Für die Auswahl der Niederlande bestritt er dennoch insgesamt 86 Länderspiele, in denen er elfmal traf.

Als Mittelfeld-Stratege brillierte Mr. Champions League vor allem aufgrund seiner herausragenden Ballkontrolle, seiner Dribbelstärke sowie seines zielgenauen Passspiels. Da er darüber hinaus als Autoritätsperson größten Respekt genießt wird ihm eine große Trainerkarriere vorhergesagt. Neben seinen herausragenden Fähigkeiten und Erfolgen auf dem Platz leitet der Niederländer ein japanisch-brasilianisches Nobel-Restaurant in der Modemetroploe Mailand. ‚Finger’s‘ heißt der erfolgreiche Gourmet-Schuppen. Zudem gründete Seedorf die ‚Champions for Children Foundation‘, eine allgemeinnützige Organisation, die sich für die Rechte von Kindern weltweit einsetzt.

„Ich möchte mitteilen, dass ich nach 22 Jahren aufhöre zu spielen. Es war eine schwierige Nacht, aber ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich in meiner Karriere erreicht habe“, teilte der 37-Jährige bei seiner Pressekonferenz in Rio de Janeiro mit, „der Fußball ist Teil meines Lebens, aber nicht mein Leben. Ich wusste, dass es früher oder später zu Ende ist.“ Nun wechselt der Niederländer also vom Rasen auf die Trainerbank. Bleibt zu hoffen, dass sein Ruf als Klub- und Fußball-Ikone nicht unter seinem Rollenwechsel leidet – wie es leider bei so vielen ehemaligen Stars in der Vergangenheit der Fall war.