Der Traum von Rio: Das sind Deutschlands Olympia-Kandidaten

von Lukas Hörster
7 min.
Im Visier von Horst Hrubesch: Sané, Weigl und Volland @Maxppp

Durch den Halbfinaleinzug bei der EM im vergangenen Sommer qualifizierte sich die deutsche U21-Nationalmannschaft erstmals seit 28 Jahren wieder für die Olympischen Spiele. FussballTransfers klärt vorab die wichtigsten Fragen rund um das Turnier und gibt einen Ausblick auf den möglichen Olympia-Kader.

Mit der Europameisterschaft steht im kommenden Sommer endlich wieder ein großes, internationales Turnier an. Natürlich gehört Weltmeister Deutschland auch diesmal zu den Favoriten – genau wie bei einem anderen Event. Erstmals seit 1988 in Calgary geht eine deutsche Mannschaft wieder beim olympischen Fußballturnier an den Start. Damals spielten noch spätere Größen wie Thomas Häßler und Jürgen Klinsmann groß auf und holten Bronze.

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Die Hoffnungsträger für die Spiele in Rio de Janeiro haben andere Namen. Es steht aber noch komplett in den Sternen, wer die deutschen Farben tatsächlich beim größten Sportereignis der Welt vertreten darf. Eine Teilnahme sowohl an EM als auch an Olympia ist für die Spieler ausgeschlossen. Das bestätigt Bundestrainer Joachim Löw: „Das würde schwierig“. Überhaupt wirft das Turnier für den Fußball-Fan viele Fragen auf. FussballTransfers beantwortet kurz und knapp die dringlichsten:

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Die wichtigsten Fragen zum Turnier

Wann finden die Spiele statt?: Das Turnier beginnt am 4. und endet am 20. August 2016. Damit liegt Olympia terminlich genau zwischen EM (10. Juni bis 10. Juli) und Bundesliga-Start (26. August).

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Wie viele Spieler dürfen mit?: Das Aufgebot ist auf 18 Mann (16 Feldspieler und zwei Torhütern) begrenzt. Zusätzlich dürfen vier Spieler auf Abruf nominiert werden.

Bis wann muss der Kader stehen?: Bereits am 25. Januar muss Trainer Horst Hrubesch ein vorläufiges, maximal 35-köpfiges Aufgebot benennen. Die Spieler sollen im Vorfeld Doping-Kontrollen unterzogen werden. Den endgültigen, 18 Mann starken Kader muss Hrubesch bis zum 31. Mai beisammen haben.

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Wer ist spielberechtigt?: Der Grundstock des Teams wird aus Spielern bestehen, die nach dem 1. Januar 1993 geboren wurden, sprich 23 Jahre oder jünger sind. Das ist der von der FIFA vorgegebene Stichtag. Zusätzlich darf der DFB drei Spieler nominieren, die schon älter sind. Hrubesch hat angekündigt, diesbezüglich auf jene Jungs des 1992er-Jahrgangs setzen zu wollen, die im Sommer die Olympia-Quali perfekt machten.

Wieso ist Olympia ein U23-Turnier?: Dies war eine Bedingung der FIFA für die Unterstützung des Internationalen Olympischen Komitees. Der Fußballweltverband wollte verhindern, dass ein Konkurrenzprodukt zur eigenen Weltmeisterschaft entsteht.

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Müssen die Vereine die nominierten Spieler zu Olympia lassen?: Nein. Es besteht keine Abstellungspflicht. Viele Bundesliga-Vertreter haben jedoch angekündigt, die Olympia-Auswahl unter normalen Umständen auch unterstützen zu wollen.

Die Qual der Wahl

Gute Voraussetzungen also für das deutsche Team. Um aber selbst den Vereinen entgegenzukommen, wurde intern bereits ein Kriterienkatalog für die Nominierung erstellt. Laut ‚Sport Bild‘ sieht dieser unter anderem vor, auf Spieler der zweiten Liga zu verzichten. Beziehungsweise solle vermehrt auf Akteure aus dem Ausland zurückgegriffen werden, um die Bundesliga zu entlasten.

Insgesamt wartet auf Horst Hrubesch bei der Nominierung seines Teams eine heikle Aufgabe. So muss er sich nicht nur mit den Vereinen, sondern auch mit ‚Jogi‘ Löw abstimmen. Denn nach wie vor gilt, dass die EM in Frankreich klare Priorität genießt. FussballTransfers unterteilt die Kandidaten in vier verschiedene Kategorien und gibt einen Überblick über alle infrage kommenden Spieler.

Die „sicheren“ Olympia-Fahrer

Zu diesem erlesenen Kreis gehören insbesondere Spieler, die sich für die Qualifikation verantwortlich zeichnen, anschließend aber (noch) nicht den Sprung zum A-Team schafften. Joshua Kimmich vom FC Bayern etwa wird ebenso zum Aufgebot gehören wie die Schalker Max Meyer, Leon Goretzka und Johannes Geis. Auch Maximilian Arnold sowie Dominik Heintz dürften dabei sein.

Einen weiteren großen Teil des Teams werden wohl jene Spieler stellen, die nach der EM in die U21 aufrückten. Dazu gehören die Verteidiger Mitchell Weiser, Niklas Süle und Jonathan Tah. Genauso wie Bundesliga-Shootingstar Julian Weigl. Im Angriff dürfen sich voraussichtlich Davie Selke und Timo Werner beweisen. Stammtorhüter der Mannschaft wird wohl der Kölner Timo Horn – auch als Dank dafür, dass er gleich bei zwei U21-Europamiesterschaften als dritter Mann zur Verfügung stand. Die ewigen Rivalen Marc-André ter Stegen und Bernd Leno sind der Mannschaft mittlerweile altersmäßig entwachsen.

Die Wackelkandidaten

Zu diesem Kreis gehören insbesondere Spieler, die bereits in DFB-Juniorenteams zum Einsatz kamen, jedoch vor vermeintlich talentierteren oder erfahreneren Akteuren zurückstecken müssen. Für einstige EM-Fahrer wie Leonardo Bittencourt, Robin Knoche oder Moritz Leitner dürfte es trotz ihrer Verdienste eng werden.

Ein Überraschungskandidat könnte Amin Younes sein. Der Deutsch-Libanese gilt als Lieblingsschüler von Hrubesch. Durch seinen Wechsel zu Ajax Amsterdam verschwand er zwar ein wenig aus dem Radar der Fußballfans in Deutschland, doch hat er sich beim niederländischen Rekordmeister mittlerweile einen Stammplatz erkämpft. Auch um die Bundesligisten weniger zu beanspruchen, ist seine Nominierung durchaus realistisch.

Aufstrebenden Talenten wie Mo Dahoud, Gideon Jung oder Narim Amiri fehlt eben dieses Standing, um bereits den Sprung ins Team zu schaffen. Das bisher nie berücksichtigte FC Augsburg-Duo Philipp Max und Dominik Kohr ist wahrscheinlich weiterhin chancenlos.

Die potenziellen EURO-Fahrer

Gleich neun spielberechtigte Akteure kommen auch für den Kader von Joachim Löw infrage. Hier geht es entsprechend sowohl um die Bereitschaft der Spieler, trotz der Enttäuschung über eine Nichtnominierung für die EURO „nur“ zu Olympia zu reisen, als auch darum, welche Positionen der Bundestrainer mit wem besetzen möchte.

Sollte etwa Antonio Rüdiger in der Innenverteidiger-Gunst Löws vor Shkodran Mustafi liegen, könnte der Weltmeister das Olympiateam unterstützen. Oder andersherum. Neben den beiden zentralen Abwehrrecken ist auch der umgeschulte Matthias Ginter spielberechtigt. Zur Olympia-Quali trug er noch als Innenverteidiger bei, nun winkt ihm rechts hinten die EM-Teilnahme.

Gleiches gilt für die Torhüter ter Stegen und Leno, die sich ebenso wie Julian Draxler berechtigte Hoffnungen auf Frankreich 2016 machen dürfen. Schwierig werden es hingegen Emre Can und Kevin Volland haben. Beide sehen sich auf ihren jeweiligen Positionen immenser Konkurrenz gegenüber.

Volland führte die U21 im vergangenen Sommer als Kapitän zu Olympia und könnte demnach als einer der Spieler über 23 eine Wild Card für Hrubeschs Team bekommen. Sein Platz in der Nationalmannschaft würde derweil an Senkrechtstarter Leroy Sané übergehen. Kann der Schalker Flügelflitzer seine Form aus der Hinrunde konservieren, wird er im Sommer statt in Rio in Paris auflaufen.

Die „alten Hasen“

Die britische Auswahl hat es bei Olympia 2012 vorgemacht: In Ryan Giggs kam ein 38-Jähriger zum Einsatz, dem bisher keine Teilnahme an einem großen Turnier vergönnt war. Ähnliche Fälle gibt es in Deutschland auch – wenngleich sie sich noch nicht in derart biblischen Alterssphären bewegen.

Gonzalo Castro, Patrick Herrmann oder Sebastian Rode sind mit Sicherheit Spieler, die sich freuen würden (noch) einmal mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen. Andeutungen von Hrubesch in diese Richtung gibt es bisher aber keine.

Auch die nach dem WM-Titel zurückgetretene Ü30-Fraktion aus Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose wurden alsbald mit einer Olympiateilnahme in Verbindung gebracht. Hrubesch wehrt dies aber humorvoll ab: „Dann könnte ich ja gleich selbst mitspielen“, scherzt der 64-Jährige.

Fazit

Der Trainer legt Wert darauf, „mit einer schlagkräftigen Truppe dahin zu fahren“. Das heißt, Horst Hrubesch wird in Absprache mit dem Bundestrainer versuchen, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen, die in der Lage ist um die Goldmedaille mitzuspielen. Dennoch kann es zu einigen Überraschungen im Kader kommen, die derzeit noch nicht vorherzusehen sind.

Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass der erfolgreiche Jugendcoach sich nicht immer von aktuellen Formschwankungen seiner Talente blenden lässt. Viel mehr schenkte er Spielern über ihre gesamte Zeit unter seiner Obhut immer wieder das Vertrauen. Bestes Beispiel hierfür ist Amin Younes, der in der 2. Liga beim 1. FC Kaiserslautern nicht einmal zur Stammformation zählte. Bei Hrubesch war er dennoch gesetzt.

Die Fußballfans in Deutschland dürfen sich jedenfalls auf gleich zwei deutsche Nationalmannschaften freuen, denen sie im Sommer beim Grillen mit Freunden oder beim Public Viewing in Deutschlands großen Hallen die Daumen drücken können. Eine neue hungrige Generation lechzt nach internationalem Ruhm und Titeln. Damit will sie 2016 beginnen – an dem Ort, an dem Deutschland zuletzt Weltmeister wurde.

Alle Kandidaten auf einen Blick

Tor: Timo Horn (1. FC Köln), Loris Karius (Mainz 05),Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Bernd Leno (Bayer Leverkusen), Marius Müller (1. FC Kaiserslautern), Timon Wellenreuther (RCD Mallorca), Odisseas Vlachodimos (VfB Stuttgart)

Abwehr: Niklas Süle, Jeremy Toljan (beide 1899 Hoffenheim), Julian Korb, Nico Schulz (beide Borussia Mönchengladbach), Mitchell Weiser, Niklas Stark (beide Hertha BSC), Dominik Heintz (Köln), Jonathan Tah (Leverkusen), Antonio Rüdiger (AS Rom), Shkodran Mustafi (FC Valencia), Matthias Ginter (Borussia Dortmund), Christian Günter (SC Freiburg), Robin Knoche (VfL Wolfsburg), Kevin Akpoguma (Fortuna Düsseldorf), Timo Baumgartl (VfB Stuttgart), Philipp Max (FC Augsburg), Lukas Klostermann (RB Leipzig)

Mittelfeld: Julian Weigl, Moritz Leitner (beide Dortmund), Joshua Kimmich (FC Bayern), Leonardo Bittencourt (Köln), Maximilian Arnold, Julian Draxler (beide VfL Wolfsburg), Max Meyer, Leon Goretzka, Johannes Geis (alle Schalke 04), Julian Brandt (Bayer Leverkusen), Emre Can (FC Liverpool), Mo Dahoud (M'gladbach), Dominik Kohr (Augsburg), Gideon Jung (Hamburger SV), Kerem Demirbay (Düsseldorf), Levin Öztunali (Werder Bremen), Felix Klaus (Hannover 96), Nadiem Amiri (Hoffenheim), Serge Gnabry (West Bromwich Albion), Janik Haberer (VfL Bochum)

Angriff: Kevin Volland (Hoffenheim), Davie Selke (RB Leipzig), Timo Werner (Stuttgart), Leroy Sané (Schalke), Amin Younes (Ajax Amsterdam), Philipp Hofmann (FC Brentford)

Fett markierte Spieler sind vor dem 1. Januar 1993 geboren.

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